Als Wirtschaftsflüchtling in Ägypten

Ich muß doch noch mal auf den vorletzten Beitrag zurückkommen und die dort aufgeworfenen Fragen nach der wirtschaftlichen Stärke oder Schwäche einzelner Länder.

Solche Dinge schreibe ich nicht, ohne das begleitend zu recherchieren und den Wahrheitsgehalt der bei Dritten aufgeschnappten Informationen einigermaßen gründlich zu überprüfen. So stieß ich bei der Recherche zu den größten Volkswirtschaften der Welt schon wieder auf Dinge, die ich kleiner Wicht vom Rübenfeld mir so gar nicht hätte vorstellen können.

Es gibt Institutionen auf dieser Welt, die mit geradezu krankhaftem Forscherdrang weit in die Zukunft zu blicken versuchen. Unsereiner, aber wie gesagt, wir sind ja nur Rübenfeldler, begnügt sich da mit der Erkenntnis „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“. Die Standard Chartered Bank denkt da anders. Sie hat schon ziemlich genaue Vorstellungen, wie die Welt im Jahr 2030 aussehen wird. Doch, Ihr lieben Leute, trotzdem fehlt diesen miefigen anglophonen Bankern noch ein gerüttelt Maß an Phantasie: PriceWaterhouseCoopers, kurz pwc, kennt schon heute die stärksten Wirtschaftsnationen des Jahres 2050.

In einem Punkt unterscheiden sich die Jahre 2030 und 2050 überhaupt nicht: China, Indien und die USA (und zwar beide Male in dieser Reihenfolge) werden auch künftig die Weltwirtschaft dominieren. Und in beiden Prognosen (auch schon 2030!) wird Indonesien die Nr. 4 sein. Der Rest der Welt liefert sich dann nur noch das Rennen um die billigen Plätze. Großbritannien, schon heute hinter (!) Indonesien nur noch die Nr. 9, kommt dann in keiner Statistik mehr vor. Die auf der Insel gegenwärtig herrschende Selbstüberschätzung ihrer verbliebenen Bedeutung schreit förmlich nach professioneller Hilfe.

Bereits 2030 werden nach Ansicht der Standard Chartered Bank neben Indonesien auch die Türkei, Brasilien und Ägypten (Plätze 5-7 der größten Volkswirtschaften der Erde) die Länder Russland, Japan und Deutschland (Plätze 8-10) überrundet haben. Ich schwanke jetzt noch, ob ich als Wirtschaftsflüchtling in wenigen Jahren dann lieber in die Türkei gehe oder doch gleich nach Ägypten. Beide Länder haben eine ordentliche Hotel-Infrastruktur (kann man, wenn die Touristen aus den schwach gewordenen Ländern wegbleiben, problemlos in Senioren-Residenzen umbauen, Thailand macht das schon seit Jahren vor). Und man sollte hoffen, daß diese Länder uns Wirtschaftsflüchtlingen auch Sprachkurse anbieten werden, damit man sich gut integrieren kann.

Besonders gespannt bin ich schon, wie die Ägypter dann mit Flüchtlingen aus der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien umgehen werden. Hoffentlich sind sie nicht all zu nachtragend. Vor allem sollte man Gott (oder dann vielleicht Allah) auf Knien bitten, daß auf keinen Fall plötzlich ein ägyptischer Seehofer aufsteht und fordert, daß man die als Asylbewerber nicht anerkannten Wirtschaftsflüchtlinge aus Deutschland oder Großbritannien schnellstmöglich zurück in ihre Heimat abschiebt.

Wenn Historiker versuchen, in die Zukunft zu kucken, kommen da halt genau so merkwürdige Beiträge heraus wie bei ihrer Bereisung der Vergangenheit. Wir hoffen, es bringt Sie trotzdem ein bißchen zum Nachdenken. Vielleicht sollten wir zu den Menschen, die heute zu uns kommen, generell etwas netter sein. Es ist ja nicht auszuschließen, daß wir sie schon in überschaubarer Zeit um ihre Gastfreundschaft bitten müssen.

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