Das Eigenleben der Quadratmeter

Obwohl der Verfasser dieser Zeilen von seinem Kompagnon in der ehedem gemeinsamen Maschinenbau-Firma vor über 30 Jahren (leider) in herzlicher Feindschaft auseinander gegangen ist, stammt doch genau von diesem Kompagnon ein Spruch, der sich besagtem Verfasser dann lebenslang eingebrannt hat: „Lieber ungenau richtig als exakt falsch.“

Daran erinnerten wir uns heute früh wieder einmal beim Lesen der Post. Dabei war u.a. die Antwort der Commerzbank auf eine Wochen zurückliegende Anfrage. Bei tiefer gehender Analyse des CS-Property-Dynamic-Objektes „Rondo Business Park“ im polnischen Krakau waren wir nämlich auf eine mehrere tausend Quadratmeter betragende Differenz bei der vermietbaren Fläche gestoßen. Deshalb hatten wir die zuständige Depotbank um Erleuchtung gebeten. Besagte Erleuchtung liest sich folgender Maßen:

„Zutreffend ist, dass die Summe der Nettomietflächen (gerundet) insgesamt 17.844 m2 beträgt. Die Diskrepanz zu der vermieteten Fläche von 17.869 m2 liegt darin begründet, dass die Brutto-Gesamtfläche (Summe aller Grundflächen aller Grundrissebenen eines Gebäudes) mit der von dem Mieter nutzbaren Netto vermietbaren Fläche gleichsetzt. Das heisst, dass beispielsweise Wände, Pfeiler, Flächen für technische Nutzungen, wie z.B. Heizung etc. dabei nicht berücksichtigt werden.“

Dieser (im ersten Satz grammatikalisch auch nicht wirklich vollendete) Absatz erklärt mit einer vielleicht etwas übertriebenen Detailverliebtheit eine Abweichung von 25 m2. Gefragt hatten wir allerdings nicht nach solchen peanuts, sondern nach einer zunächst unerklärbaren Abweichung von rund 5.000 m2. Dazu äußerst sich die Bank allerdings nun wirklich nur sehr allgemein:

„Die von Ihnen angeführte Differenz ist von außen nicht zu beurteilen. Die Fläche von dem Objekt Rondo Business Park in Krakau wird jährlich von drei externen Gutachtern begutachtet und alle zwei Jahre findet eine örtliche Begutachtung von einem Hauptgutachter statt. Der Commerzbank AG liegen keinerlei Unstimmigkeiten aus dem Sachverständigengutachten vor.“

Wir Einfaltspinsel auf unserem Rübenfeld hatten bisher immer geglaubt: Ein Gebäude tendiert eher weniger dazu, selbsttätig seine Fläche zu verändern, nachdem man es einmal gekauft hat. Schon aus reiner Sparsamkeit würden wir deshalb eher nicht auf die Idee kommen, die Fläche jedes Jahr auf’s Neue gleich von drei verschiedenen Gutachtern nachrechnen zu lassen. Die Höflichkeit würde es auch von selbst verbieten, bei in Polen belegenen Gebäuden andere Maßstäbe anzulegen: Selbst hier ist uns noch nie ein Fall zu Ohren gekommen, daß organisierte Banden aus einem Gebäude ein paar Quadratmeter geklaut hätten.

Zum Glück hatte sich unsere Frage inzwischen aber ohnehin erledigt. Mit Hilfe ergänzender Auskünfte einiger unserer Kontakte aus einschlägigen Internet-Foren hatte sich herausfinden lassen, daß ausgerechnet auf der offiziellen Internet-Seite des damaligen Projektentwicklers Buma (die den Rondo Business Park übrigens bis heute verwalten) zu dem Objekt völlig unzutreffende Flächenangaben gemacht werden.

Mit dem uns heute zugegangenen Brief der Commerzbank wäre uns dagegen nicht weiter geholfen gewesen: Das ab Absender figurierende „Beschwerdemanagement Privat- und Unternehmerkunden“ beherrscht perfekt die Kunst, eine ganze DIN-A-4-Seite Text zu schreiben, ohne damit etwas zu sagen. Theoretisch ist die Frage des Kunden beantwortet. Praktisch ist der Kunde hinterher genau so dumm wie zuvor. Die Leistung der Commerzbank, wenngleich rein formal gesehen nicht zu beanstanden, war also „exakt falsch“. „Ungenau richtig“ wäre uns lieber gewesen. Aber das ist nicht mehr der Stil der heutigen Zeit.

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