„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“

 

 

Nun ist es amtlich: Parallel zur Wahl zum Abgeordnetenhaus dürfen die Berliner*innen am 26.9. über das Volksbegehren entscheiden, Wohnungsbaugesellschaften mit einem Bestand von mehr als 3.000 Wohnungen zu enteignen. Anscheinend soll die gute alte Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) nach dem Willen von im Gestern stehen gebliebenen linken Spinnern fröhliche Urständ feiern.

Vor wenigen Tagen war der Verfasser dieser Zeilen mit der besten Ehefrau von allen wieder mal in Berlin. Beide kennen die Stadt und auch ihren Ostteil wie ihre Westentasche: Sie als im Prenzlauer Berg gebürtig und aufgewachsen, er als Inhaber eines Dauervisums für die DDR, das ihm unbegrenzt und ohne Mindestumtausch oder Meldepflicht bei der Volkspolizei über jeden beliebigen Grenzübergang die jederzeitige Einreise in den Arbeiter- und Bauernstaat erlaubte. So etwas gehörte zu den Privilegien, die ein Mitarbeiter einer Westfirma beanspruchen konnte, wenn seine Firma als Aussteller auf der Leipziger Messe das internationale Ansehen der DDR aufwertete.

Wer den Wandel dieser Stadt in den letzten drei Jahrzehnten hautnah miterlebt, der kommt bei jedem Besuch auf’s Neue nicht aus dem Staunen heraus. Niemand wird bestreiten, dass das Agieren großer Wohnungskonzerne für den einen oder anderen Mieter nicht immer von Vorteil ist. Aber das kann, wenn man schon vor 30-40 Jahren durch Ost-Berlin gelaufen ist, denknotwendig nicht so schlimm sein wie das, was sozialistische Wohnungsbaupolitik mit der Kommunalen Wohnungsverwaltung dieser Stadt und den im Ostteil lebenden Menschen über 40 Jahre lang angetan hat. Nur schade, daß die Menschen sich nicht erinnern (wollen). Weil das menschliche Gehirn aus reinem Überlebenstrieb nun einmal darauf geeicht ist, Negatives ganz schnell zu vergessen.

Als Leiter der Finanzabteilung eines großen Maschinen- und Anlagenbauunternehmens mit 95 % Exportanteil wusste der Verfasser dieser Zeilen in den 1980er Jahren als einer von nur vier Bevollmächtigten von einem speziellen Bankkonto, von dem bezahlt wurde, was man damals gemeinhin als NA bezeichnete: Nützliche Abgaben. Damals waren solche Zahlungen auch noch ganz legal als unvermeidliche Betriebsausgaben steuerlich absetzbar. Denn damals war in jedem Land der Erde sonnenklar, dass es manche Aufträge eben nur nach dem Motto gab: Ohne Moos nix los. In fast jedem Land der Erde jedenfalls, mit einer einzigen Ausnahme: Wer in der DDR der Bestechlichkeit überführt wurde, der riskierte damit, den winzigen Rest seines Lebens um ca. 20 cm kürzer zu verbringen. Wobei die Beine immer noch genau so lang waren wie vorher.

In jedem anderen Land dieser Erde aber, selbstverständlich auch in jedem sozialistischen Land außer der DDR, war die Forderung nach Bakschisch ebenso so selbstverständlich wie das Saufgelage anlässlich der Vertragsunterzeichnung. Wobei man bitte nicht das plumpe Wort „Bestechung“ benutzen sollte für das, was sich die herrschende Klasse vor allem in sozialistischen Ländern alles Feines ausgedacht hatte. In Libyen beispielsweise war es so: Die Unterzeichnung eines Liefervertrages für, sagen wir mal, eine Getreidemühle wurde üblicher Weise im Staatsfernsehen übertragen. So ein Fernsehbeitrag filmt sich ja nun mal nicht von alleine. Er musste produziert werden. Und es war sicher nur reiner Zufall, dass a) die Filmproduktionsfirma einem Sohn von Oberst Gaddafi gehörte, daß b) die Filmproduktionskosten immer genau 5 % der Liefervertragssumme betrugen und c) besagte in Tripolis domizilierende Filmproduktionsfirma der Familie Gaddafi ihr Geschäftskonto nicht etwa bei einer lokalen libyschen Bank unterhielt, sondern praktischer Weise beim Schweizerischen Bankverein in Zürich.

Das mal als kleine Botschaft an die Berliner Volksbegehrler*innen, die da bis heute den Rattenfängern und Verkündern von Sonntagsreden mit pseudosozialistischem Inhalt hinterherlaufen. Nicht umsonst hatte schon im Dritten Reich Volkes Stimme die offizielle Losung „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ verballhornt zu „Mein Nutz geht vor Dein Nutz“. Wasser predigen und Wein saufen: Schauen Sie sich im Internet Spaßes halber mal Bilder der bescheidenen, von Oskar Lafontaine und seiner Frau Sarah Wagenknecht bewohnten Datsche an.

Nach dem vorher Gesagten zum Thema Bestechung in der DDR wird es den geneigten Leser wenig erstaunen, daß es den Verfasser dieser Zeilen Anfang 1989 echt aus den Puschen haute: Einige Zeit zuvor hatte er sich im Münzkabinett des Berliner Bode-Museums in die heutige beste Ehefrau von allen verliebt, wo dieselbe die Sammlung Geldscheine und Wertpapiere betreute. Das Ost-Berliner Bode-Museum war damals übrigens pikanter Weise in ganz Deutschland das einzige Museum von Rang, das kapitalistische historische Aktien-Urkunden für sammelwürdig hielt …

Wochenendehe in von einigen lieben Freunden liebenswürdiger Weise jeweils für ein paar Tage überlassenen wechselnden Wohnungen in Ost-Berlin war zwar erst einmal durchaus prickelnd, aber auf Dauer halt doch nicht so der Hit für diese überaus unbotmäßige Ost-West-Liaison. Eine eigene Wohnung für die gerade frisch geschiedene Liebste wäre schon fein, aber wie kommt man ausgerechnet in der DDR ohne ewiges Warten an eine ran?

Mit dem Wissen, daß in der DDR als einzigem Land der Erde Bestechung nicht fuktionierte, runzelte der Verfasser dieser Zeilen also erst einmal kräftig die Stirn angesichts des Vorschlages eines guten Freundes: 500 Mark West, und das mit der Wohnung könne er klar machen. Er habe einen zielführenden Kontakt bei der Kommunalen Wohnungsverwaltung. Ob Sie’s glauben oder nicht: Eine Woche darauf zog die spätere beste Ehefrau von allen mit ihren beiden süßen Töchtern in eine schmucke Q3A-Genossenschaftswohnung in Berlin-Johannisthal. Wer von unseren geschätzten Leser*innen einen DDR-Hintergrund hat, weiß, was eine Q3A-Wohnung ist. Die anderen müssen das halt mal googeln …

Der Verfasser dieser Zeilen hält es mindestens für fraglich, daß man heutzutage Mitarbeiter der Deutsche Wohnen AG bestechen muß, um in Berlin an eine Wohnung aus deren Bestand zu kommen. Aber die Befürworter der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ vertreten aus ideologischen Gründen wohl kurzsichtiger Weise die Ansicht: Lieber gar keine Wohnung oder mindestens jahrelang auf eine warten, als gleich und sofort eine vom Privateigentümer.

Albert Einstein wird das Zitat zugeschrieben: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Er hat, wie immer, zeitlos Recht.

Übrigens: Die gleichen roten Socken (generisch feminin, deshalb ohne Gendersternchen), die heute in Berlin „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ fordern, hatten noch in den Jahren 2002 bis 2008 einen dreistelligen Millionenbetrag an Bundesmitteln verballert für den „Rückbau“ zigtausender Wohnungen, die angeblich nicht mehr benötigt wurden. Auch die Eltern der besten Ehefrau von allen mussten damals auf ihre alten Tage noch einmal umziehen. Nicht, weil sie unbedingt noch mal eine neue Wohnung haben wollten. Sondern weil nach dem Willen des Berliner Senats ihre „Platte“ in Marzahn schlicht und ergreifend abgerissen werden sollte. Krokodilstränen vergiessen und dieses saudämliche Enteignungs-Bürgerbegehren starten, weil die erst vor wenigen Jahren von den gleichen Leuten abgerissenen Wohnungen heute fehlen: Das ist nun wirklich eine unfassbare Heuchelei.

Aber wie heisst es so schön: Niemand ist unnnütz. Er kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen. Das passt auf die Post-SED, die heutige Linke, im Lichte ihrer ihr wahres Gesicht zeigenden Vorstellungen zur Berliner Wohnungspolitik wirklich ganz perfekt. Möge man sich als Berliner*in bei der Wahl am 26.9. hoffentlich daran erinnern …

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