Die Wahrheit über Betongold

Die große Linie an den Immobilienmärkten im Auge zu behalten und sich mit entsprechenden Zahlen und Fakten zu beschäftigen ist für unsere Arbeit nicht weniger wichtig als die vielen kleinen täglichen Dispositionen, die für unseren Erfolg natürlich ebenso ihre Bedeutung haben.

Ein Tag wie der heutige, naßkalt, Schneematsch, die ebenfalls im Büro werktätige Gemahlsgattin kochte soeben einen leckeren Kaffee, der jetzt dampfend vor mir steht, ein solcher Tag ist wie gemacht für großes Philosophieren über den Wert oder Unwert von Finanzprodukten.

Es gilt, nicht mehr und nicht weniger als die Frage zu beantworten: Sind Immobilienfonds eine sinnvolle Anlage?

In den meisten Köpfen dürfte ja zum Thema „Betongold“ die Assoziation vorhanden sein: Sicherheit, anständige laufende Rendite, stetige schwankungsarme Wertentwicklung (nach oben). Ist das wirklich so?

Eine unserer wichtigen Informationsquellen sind einschlägige Internet-Foren, wo sich am Thema OIF Interessierte einen regen Gedankenaustausch liefern. Hier hat sich unser Internet-Freund ariba0815 einmal die Mühe gemacht, die Wertentwicklung einiger uns heute interessierender Fonds seit 2009 (also vor den Rücknahmeaussetzungen) zu untersuchen. Zwischenzeitlich geleistete Ausschüttungen wurden dabei  (egal aus welchem Grunde sie erfolgten, Erträgnisausschüttungen oder Substanzausschüttungen) erfolgsneutral berücksichtigt. Im Umkehrschluß heißt das: Seit 2009 wurde keine laufende Rendite mehr erwartet, sondern es ging rein um die Frage: Was bleibt tatsächlich, wenn einem Immobilienfonds nach vielen Jahren Abwicklung die Stunde der Wahrheit schlägt?

Die Ausgangswerte (jeweils 5 Monate vor Rücknahmeaussetzung, also Zeitspanne Juni – November 2009) beim offiziellen Rücknahmepreis (also dem Net Asset Value) sind wie folgt, anschließend ist die Summe der zwischenzeitlich erfolgten Ausschüttungen angegeben:

AXA Immoselect: 59,46 €, bisher ausgeschüttet 29,97 € = 50 %

CS Euroreal: 61,79 €, bisher ausgeschüttet 30,60 € = 50 %

KanAm grundinvest: 55,84 €, bisher ausgeschüttet 27,54 € = 49 %

SEB ImmoInvest: 56,32 €, bisher ausgeschüttet 28,56 € = 51 %

TMW Immobilien Weltfonds: 53,69 €, bisher ausgeschüttet 21,06 € = 39 %

Interessant und in dieser Konstanz keineswegs so erwartet ist das Ergebnis, daß  7 Jahre nach Rücknahmeaussetzung praktisch alle Fonds ziemlich exakt die Hälfte des ursprünglichen angeblichen „Wertes“ zurückgeliefert haben – bis auf den TMW, der aber eigentlich bei jeder Form der Betrachtung die rote Laterne hat.

Es bleibt also überall noch die andere Hälfte übrig (außer beim TWM, da ist es mehr). Die damals in die Falle der Rücknahmeaussetzung geratenen Investoren stellen sich zu Recht die Frage, wie ihre Chancen stehen, auch diese andere Hälfte eines damals als „bombensicher“ vorgegaukelten „Wertes“ wiederzusehen.

Rechnen wir also weiter: Ausgangswert minus Ausschüttungen ergibt den sozusagen noch offenen Betrag – und inwieweit ist nach 7 Jahren „Tal der Tränen“ diese Hoffnung und Erwartung durch den heutigen offiziellen Rücknahmewert noch gedeckt?

AXA Immoselect: 59,46 € minus 29,97 € = Rest 29,67 € (NAV heute noch 5,34 €)

CS Euroreal: 61,79 € minus 30,60 € = Rest 31,19 € (NAV heute noch 20,92 €)

KanAm grundinvest: 55,84 € minus 27,54 € = Rest 28,30 € (NAV heute noch 19,32 €)

SEB ImmoInvest: 56,32 € minus 28,56 € = Rest 27,76 € (NAV heute noch 19,08 €)

TMW Immobilien Weltfonds: 53,69 € minus 21,06 € = Rest 32,62 € (NAV heute 3,82 €)

Damit kommen wir zur spannendsten und letzten Frage: Wieviel ist vom 2009 offiziell genannten (und von hochmögenden Sachverständigenausschüssen bestätigten) Wert, und zwar bereits nach wohlwollender Gegenrechnung der laufenden Erträge aus 7 Jahren, zwischendurch als Wertverlust des Immobilienbestandes auf der Strecke geblieben? Hier sind die absoluten Zahlen und die Prozentsätze im Verhältnis zum 2009er Wert:

AXA Immoselect: 24,33 € = 40,9 % von ursprünglich 59,46 €

CS Euroreal: 10,27 € = 16,6 % von urspünglich 61,79 €

KanAm grundinvest: 8,98 € = 16,1 % von ursprünglich 55,84 €

SEB ImmoInvest: 8,68 € = 15,4 % von ursprünglich 56,32 €

TMW Immobilien Weltfonds: 28,80 € = 53,6 % von ursprünglich 53,69 €

Auch hier ist auffällig und keineswegs so erwartet, daß die „big three“ CS, KanAm und SEB frappierend dicht beieinander liegen. Alle drei waren sehr großkalibrige sog. Flagship-Produkte. Daß sich deren Wertentwicklung nach ca. 7 Jahren Auflösungsdauer kaum voneinander unterscheidet, gibt dem ganzen eine ziemlich hohe statistische Signifikanz.

Vergleichbare Produkte von praktisch allen großen Anbietergruppen, die sich bei der Rücknahmeaussetzungs-Welle 2009 über Wasser halten konnten, sind weiterhin im Markt. Sind deren bis heute täglich veröffentlichten Rücknahmewerte zutreffend und sicher? Diese Frage muß jeder für sich selbst beantworten.

Unsere Einschätzung ist: Im Markt für Offene Immobilienfonds finden wir in Deutschland etliche Potemkin’sche Dörfer. Allerdings: Würde man hier plötzlich mit der Wahrheit arbeiten, könnte der Markt implodieren. Obwohl: Britische Fonds zum Beispiel, die sich bei ihren Objektbewertungen viel näher an tatsächlichen Verkehrswerten bewegen, zeigen, daß auch die Wahrheit eine Chance hätte.

Die Crux bei der ganzen Sache ist ganz einfach: Immobilienmärkte, das haben wir inzwischen gelernt, sind ebenfalls hoch zyklische Märkte mit einer hoch zyklischen Wertentwicklung. Ihre Volatilität unterscheidet sich bei Lichte besehen kaum von den Aktienmärkten. Unsere großen Fondsanbieter aber gaukeln dem Anleger vor, Immobilien seien eine sichere, schwankungsarme, eigentlich beständig im Wert nach oben gehende Investition. Um mit diesen Argumenten verkaufen zu können, haben wir im deutschen Investmentgesetz ein Bewertungssystem geschaffen, das es fertigbringt, die zyklischen Schwankungen der Märkte weitgehend wegzublenden.

Während in den letzten 7 Jahren die Objektbewertungen der abwickelnden Fonds oft unter die Räder gerieten, sind die Objekte der offen gebliebenen Fonds zumeist wundersamer Weise ständig weiter im Wert gestiegen.

Die Wahrheit möchte wahrscheinlich gar kein Mensch hören. Die Fondsanbieter nicht, weil es ihnen im Vertrieb die Tour vermasselt. Die Anleger auch nicht, weil es ihre schöne heile Welt zerstören würde. Wer möchte sich schon mit der Tatsache auseinandersetzen, daß die Anleger des TMW Immobilien Weltfonds am Ende mehr als die Hälfte ihres Geldes unwiederbringlich verloren haben?

Aussprechen können die Wahrheit wahrscheinlich nur Leute wie wir, die ganz am Ende der Nahrungskette an den Fehlern des Systems blendend verdient haben.

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