Verraten und verkauft im Netz

Eben war der Verfasser dieser Zeilen beim Frisör. Schon in den späten 1970er Jahren hatte er von seinem damaligen Chef bei den Luther-Werken in Braunschweig nämlich den klugen Rat erhalten: Die Haare wachsen während der Dienstzeit, also dürfen sie auch während der Dienstzeit geschnitten werden. Und auf dem Weg zum Frisör ertönte aus dem Autoradio mal wieder die penetrante Werbung von Wirkaufendeinauto.de, die den gemeinen Verkehrsteilnehmer und Fernsehzuschauer ja praktisch täglich nervt. Schon die pomadige Stimme des Textaufsagers ist eigentlich eine Zumutung – der Typ klingt so als ob er vor dem Aufsagen seines Sprüchleins die Zunge noch mal extra mit Haargel eingeschmiert hat. Bewerte sofort & kostenlos Dein Auto. Verkaufe in 24h zum Höchstpreis. Mega einfach!

Dabei mißfällt dem altmodischen Verfasser dieser Zeilen erst einmal, daß irgendsoein dahergelaufenes Start-Up-Arschloch sich ohne weiteres erdreistet, ihn zu duzen. Aber ohne Manieren ist man in Deutschland heute scheinbar umso erfolgreicher: Erst 2012 in Berlin von den Herren Koc und Bertermann gegründet bezeichnet sich die Auto1 Group heute als Europas größten Gebrauchtwagenhändler und beschäftigt in 30 Ländern mehr als 4.000 Mitarbeiter. Einen davon durfte der Verfasser dieser Zeilen mit der besten Ehefrau von allen kürzlich unfreiwillig in einer Berliner S-Bahn kennenlernen.

Der junge Mann mit Migrationshintergrund versuchte nämlich direkt neben uns seine offenbar erst ganz frisch angebaggerte Flamme zu beeindrucken. „Ich arbeite in der Internet-Branche. Bei Wirkaufendeinauto.de. Also, bei uns läuft das so: Auf jede Anfrage bieten wir erst mal einen Mondpreis. Damit der Kunde auf jeden Fall zu uns kommt. Und wenn er dann mit seiner Karre in der Werkstatt steht, dann findet der Meister alles mögliche und sagt: Ja mein Gutster, die 8.000 EUR die wir geboten haben waren ja für ein Fahrzeug in perfektem Zustand – aber so wie Dein Wagen aussieht – also mit viel gutem Willen Fünf fünf. Du wirst es nicht glauben: Bei über der Hälfte der Leute klappt das. Die haben entweder gar keine Ahnung und lassen sich einseifen, oder die brauchen das Geld wirklich ganz dringend.“

Das Unternehmen wird wenig amüsiert sein, daß ein Mitarbeiter in der Öffentlichkeit und für alle mithörbar derart ungeniert über die eher unsauberen Geschäftsprinzipien plaudert. Obwohl damit ja nur der Verdacht bestätigt wird, den die AutoBild nach verschiedenen Eigentests bereits Ende 2017 äußerte. Es gilt halt auch hier, was die Fortschrittsgläubigen und Digitalisierungsfanatiker partout nicht wahrhaben wollen: Gauner gibt es überall. Analog und natürlich auch digital. Und wer immer noch glaubt, Internet und Digitalisierung seien ein wahrer Segen für die Menschheit, der glaubt auch, daß Zitronenfalter Zitronen falten.

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