Verschrobene Ansichten

Jedem/er aufmerksamen Leser/in dieser Zeilen, ja, es gibt solche, die sich das immer noch regelmäßig antun, wird inzwischen zur Genüge aufgefallen sein, dass der Verfasser dieser Zeilen durchaus dazu neigt, verschrobene oder sonstwie merkwürdige Ansichten zu haben.

Aber ich frage Sie: Ist das ein Wunder bei einem inzwischen ziemlich aus der Zeit gefallenen Menschen, der wegen seines anfänglichen Berufswunschs „Priester“ in der Schule noch Latein und Altgriechisch lernte? Der anschließend aus lauter Verzweiflung erst mal eine Banklehre machte, dann als Spezialist für Exportfinanzierungen gewisse Einblicke vor allem in Gepflogenheiten im damaligen Ostblock bekam, ein Gastspiel als geschäftsführender Gesellschafter eines Spezialmaschinenbauers gab und am Ende seit mehr als drei Jahrzehnten als Finanzhistoriker in verstaubten antiken Wertpapieren rumwühlt?

Wobei den Verfasser dieser Zeilen nun aber das Gefühl beschleicht, das mit dem ersten Berufswunsch müsse der geneigten Leserschaft vielleicht doch etwas näher erklärt werden. Das war nämlich so: In unserer Kirchengemeinde in Goslar (also echte Diaspora) hatten wir einen stockkonservativen alten Dechanten. Und wir Ministranten wussten genau: Wenn man im praktischer Weise in der Ministranten-Sakristei befindlichen unverschlossenen Schaltkasten ein paar Schalter betätigte und die Glocken damit in einer Weise läuten ließ, die der gerade beim Frühstück im 300 m entfernten Pfarrhaus befindliche Dechant unweigerlich als unpassend detektierte, dann ließ der Herr Dechant Frühstück Frückstück sein, warf sich seinen Talar über, raste in die Kirche – und konnte dann doch niemanden dieses Frevels überführen, denn die katholische Kirche leistete sich damals mindestens bei den Sonntagsgottesdiensten immer noch zwei Ministranten. Welcher von beiden war’s nur gewesen?

Dazu kam, dass die Herrenkleiderwerke Odermark in Goslar damals hunderte von spanischen Gastarbeitern beschäftigten. So viele, dass die aus ihrem Mutterland einen eigenen Priester abgestellt bekamen, der in Goslar in der Kirche jeden Sonntag eine spanische Messe hielt. Dieser spanische Priester hatte nicht nur einen beachtlichen Vorrat spanischen Messweins dabei, nein, er hatte zudem den unschätzbaren Vorzug, gar keinen Wein zu mögen. Eine Diensteinteilung bei seiner Messe war also unter uns Ministranten hoch begehrt, konnte man sich doch nach der Messe in der Priestersakristei unter dem milde lächelnden Blick des Monsignore einen „wenzigen Schlock“ seines gar nicht angerührten Messweins gönnen, oder auch ein paar mehr.

Und schließlich hatten wir ja nicht nur den alten Zausel von Dechanten (nach meiner Erinnerung hieß er Bührig), sondern auch noch ein oder zwei hoffnungsfrohe junge Kapläne, die es Anfang der 1970er Jahre sogar wagten, im sonntäglichen Hochamt an einem Wahlsonntag bei ihrer Predigt ausdrücklich nicht zur Wahl der CDU aufzurufen – was dann noch während des Gottesdienstes in der Kirche eine Sondersitzung des CDU-Kreisvorstands nach sich zog.

Einer der besagten Kapläne also (ich werde mich hüten seinen Namen zu nennen, denn er wohnt jetzt hoch betagt direkt in meinem Nachbardorf) rauchte wie ein Schlot und war dem Alkohol nicht besonders abgeneigt. Als aufrechter Christenmensch teilte er gerne, und so kam der damals 16-jährige Verfasser dieser Zeilen in der kirchlichen Laienspielgruppe einmal in der Woche mit den Herren Benson & Hedges und Johnny Walker in’s Gespräch.

Nach dieser langen Vorrede wird der geneigten Leserschaft hoffentlich verständlich geworden sein, dass dem Verfasser dieser Zeilen angesichts gemachter Erfahrungen der Beruf des Priesters für eine gewisse Zeit ein durchaus anstrebenswerter erschien. Womit wir uns dann endlich wieder mit Inbrunst seiner anfangs erwähnten Verschrobenheit widmen können. Die sich, präzise ausgedrückt, sogar bei der Geldanlage nicht wirklich verbergen lässt.

Die Idee mit der CS Realwerte AG war ja schon abgefahren genug. Aber da vom Verfasser dieser Zeilen ja inzwischen quasi erwartet wird, hier Dinge zum Besten zu geben, die bei den meisten Lesern erst einmal ein ungläubiges „häääh??“ auslösen, komme ich diesem Wunsch auch heute gern wieder nach.

Haben Sie schon mal von der „Banque National Belgique“ gehört? Natürlich haben Sie. Wie von der Bundesbank, der Banque de France und der Federal Reserve Bank selbstverständlich auch. Aber wussten Sie auch, dass Sie bei der Banque National Belgique bis heute Aktionär werden können? 50 % der Aktien der belgischen Notenbank gehören verfassungsgemäß dem belgischen Staat, aber die anderen 50 % (was übrigens lediglich 200.000 Aktien sind) werden ganz regulär an der Euronext gehandelt.

Ist übrigens nicht einmal ein Einzelfall. Auch bei der Schweizerischen Nationalbank und bei der Bank of Greece (nicht verwechseln bitte mit der – privaten – National Bank of Greece!) können Sie bis heute ganz normal durch Kauf über die Börse Teilhaber einer Notenbank werden. Und bis Kriegsende konnten Sie z.B. auch noch Anteilscheine der Deutschen Reichsbank erwerben – die die Deutsche Bundesbank nach 1949 dann allerdings in allmählich rückzahlbare Genußscheine umwandelte.

Die Aktien der Schweizerischen Nationalbank waren vor Jahren mal eine ganz tolle Nummer (einer unserer Aktionäre machte mich damals auf unserem Sommerfest nach der Hauptversammlung darauf aufmerksam). Aber inzwischen hat sich der Kurs vervielfacht und scheint nicht mehr sonderlich attraktiv. Die Aktien der Bank of Greece sind ziemlich markteng. Einen Blick lohnen sie dennoch, gibt es doch seit Jahr und Tag jeweils im März/April eine Dividende von 0,672 EUR. Vor allem aber die Banque Nationale de Belgique, die könnten Sie sich wirklich einmal ansehen.

Gerade heute erfährt der mit dem Umgraben von Sperrmüll vertraute Investor, daß die Bank am 20.5. eine Dividende von 96,63 EUR zu zahlen gedenkt. Brutto 5,6 % Dividendenrendite bei einer Bank, die als Notenbank ex definitione niemals pleite gehen kann (weil sie sich ihr Geld ja selber druckt), das ist doch, um auf den Anfang zurückzukommen, ein Wort zum Sonntag – oder, für unsere Leserschaft mosaischen Glaubens, ein Wort zum Samstag bzw. die muslimischen Leser/innen ein Wort zum Freitag.

Wenn Sie ein bisschen mehr Dividenden-Historie wollen, googeln Sie einfach „Banque Nationale Belgique Dividende“. Da finden Sie eine Übersicht der BNB selbst für die letzten 20 Jahre. Gewöhnlich kann jeder. Wer hier mitliest will doch eher das Ungewöhnliche, nicht wahr?

In einer Welt, in der Anstand und Moral zunehmend weniger einen Platz finden, möchte der Verfasser dieser Zeilen zum Schluß ausdrücklich auf eine mögliche Interessenkollision hinweisen, ausgelöst durch Kauf von Stück -50- BNB-Aktien am 10.03.2022. In dem Sinne, alles Gute, und bleiben Sie gesund.

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