Aufmarsch der Staatsmacht

So titelte das Handelsblatt letzten Freitag, nachdem die Deutsche Bank mal wieder Besuch von 170 Polizisten und Staatsanwälten bekommen hatte. Stein des Anstoßes sollen dieses Mal Geschäfte auf den Britischen Jungferninseln sein, wo die Deutsche Bank hunderten von Kunden geholfen haben soll, etliche Milliarden vor all zu neugierigen Blicken nationaler Finanzbehörden zu verstecken.

Da kann der Verfasser dieser Zeilen absolut mitreden. Als notorischer Kreuzfahrer war er natürlich auch schon in Road Town auf Landgang. Man atmet dort eine besondere Luft: Die Luft eines Territoriums mit dem US-Dollar als Währung und unserer Lisbet als Staatsoberhaupt, das keinerlei Steuern auf Einkommen oder Gewinne erhebt. Dem geübten Auge fällt nach Verlassen des Hafens beim Schlendern über die Hauptstraße mit ihren meist 5 bis 6-stöckigen Bürogebäuden sofort auf: Hier brauchte es beim Bau eine ganz besondere Art von Statikern. Die mussten nämlich in der Lage sein, die Tragfähigkeit der Gebäude so zu errechnen, dass sie nicht unter der Last der 430.000 Firmenschilder zusammenbrechen. Mei, was man da nicht alles sah – Volkswagen Financial Services, DaimlerBenz, alles was Rang und Namen hat auf dieser Welt.

Volkswagen zum Beispiel wird sich nicht damit herausreden können, dass die Niederlassung für die dortige Absatzfinanzierung unabdingbar ist. In Seesen am Harz gibt es schließlich auch keine Volkswagen-Financial-Services-Niederlassung, obwohl die Stadt mit etwas über 20.000 fast genau so viel Einwohner hat wie die Britischen Jungferninseln. Und ganz bestimmt fährt von Konzernprodukten des Hütchenspielerkonzerns auf den Straßen des beschaulichen Seesen ein mehrfaches von dem umher als das was an VW-Fahrzeugen auf den Britischen Jungferninseln in Road Town herumfährt und dringend absatzfinanziert werden muss.

430.000 Briefkastenfirmen bei 23.000 Einwohnern – da muss man als Deutsche Bank natürlich auch mitspielen. Und solche Geschäfte sind natürlich auch viel wichtiger als die zuverlässige Versorgung des deutschen Mittelstandes mit klassischen Bankdienstleistungen.

Auch da können wir ein Wörtchen mitreden. Wir wussten nämlich schon lange vor letztem Freitag, dass bei der Deutschen Bank die Kacke so richtig am Dampfen ist. Genau gesagt wussten wir es seit dem 25. September, wo die Deutsche Bank unserer Muttergesellschaft, der Aktien-Gesellschaft für Historische Wertpapiere, kurz und bündig mitteilte:

„Auf Grund einer geschäftspolitischen Entscheidung kündigen wir den mit Ihnen am 23.12.1995 geschlossenen Vertrag über den Zahlstellen- und Hinterlegungsstellendienst wie mit Ihnen vorab besprochen hiermit zum Ablauf des 31.12.2018 auf.“

Unser „Verbrechen“, so erläuterte der ihm seit Jahrzehnten persönlich bekannte Deutsche-Bank-Mitarbeiter dem Verfasser dieser Zeilen, besteht darin, daß wir einen geringen Teil unseres Grundkapitals aus alter Tradition in effektiven Stücken als Inhaberaktien verbrieft haben. Es gibt unter unseren Aktionären halt einige Nostalgiker, meist selbst Sammler Historischer Wertpapiere, die ihre Aktien zu Hause unter dem Kopfkissen liegen haben wollen. Das ist nicht verboten. Doch diese ganz unbedeutende Zahl unserer Aktionäre lässt sich, weil es ja Inhaberaktien sind, namentlich nicht benennen. Und da kommt dann die ganz große Keule und sagt: Böse, böse, böse, Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung …

Wir reden hier wohl gemerkt nicht über die effektiven Stücke in den Tresoren des Wertpapierverwahrers Clearstream Banking AG. Die sind ja namentlich benennbaren Kundendepots zuzuordnen. Wir reden nur über das bisschen, das die letzten Nostalgiker unter den Kleinaktionären zu Hause liegen haben. Also insgesamt einen Gegenwert von allerhöchstens gut 100.000 EUR. Doch schon dieser Betrag öffnet, jedenfalls nach Meinung der die geschäftspolitischen Entscheidungen treffenden Großhirne der Deutschen Bank, der internationalen Geldwäsche Tür und Tor. Gegen dieses Bedrohungspotential sind die milliardenschweren Mauscheleien auf den Britischen Jungferninseln doch vollkommen harmlos.

Wir fühlen uns ob so viel Aufmerksamkeit beinahe geehrt: Effektive AG-Hist-Aktien, die neue international anerkannte Währung beim An- und Verkauf von Nutten und Koks.

Liebe Leute – wie sehr muss einer Deutschen Bank der Arsch auf Grundeis gehen, dass sie wegen einer solchen Belanglosigkeit eine fast ein viertel Jahrhundert alte Geschäftsverbindung mehr oder weniger grundlos kündigt …

Oder liegt es daran, dass einer unseres größeren Aktionäre ein früherer Finanzminister der Russischen Förderation ist, heute u.a. im Aufsichtsrat von Gazprom tätig? So etwas würde die Deutsche Bank natürlich nie zugeben. Aber denkbar wäre es schon angesichts der ekelhaften Schleimspuren, die vaterlandslose deutsche Großkonzerne (selbstverständlich alle mit regen Geschäften auf den Britischen Jungferninseln) auf den Treppenstufen des Weissen Hauses und der US-amerikanischen Botschaft in Berlin hinterlassen.

Man ahnte ja spätestens seit dem Rohrkrepierer Anshu Jain (O-Ton spiegel.tv im Mai 2017: „An die Spitze gezockt“), dass einer Deutschen Bank ihre zwielichtigen internationalen Geschäfte wesentlich mehr am Herzen liegen als der deutsche Mittelstand. Und dass sie diesen jederzeit gern auf dem Altar des Aktionismus opfert, wenn es um die Rettung der eigenen Haut geht.

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