Der Mobilitätskonzern

Donnerwetter: Linken-Parteichef Bernd Riexinger forderte gestern, die Lufthansa und die Deutsche Bahn zu einem Mobilitätskonzern zusammenzuschließen.

Das geht dem Verfasser dieser Zeilen entschieden nicht weit genug. Lieber Herr Riexinger: Weshalb die unerträgliche Diskriminierung aller Automobilhersteller, der See- und Binnenschiffahrt, des Speditions- und Personenbeförderungsgewerbes und der Uber-Fahrer? Mit welchem Recht schließen Sie die bei Ihren Plänen denn aus?

Gar keine Frage: Wenn man schon konsequent sein will, dann muß die Deutsche Volksbenzreichsinterflugsegelschiffschenkertaxibahn gegründet werden. Die Aufnahme des Segelschiffs in diese Gedankenstudie betont dabei in besonderem Maße den ökologischen Aspekt dieses epochalen Plans, der ja bereits in der DDR bei Mobilitätsfragen eine ganz zentrale Rolle spielte. Indem man nämlich nur ganz wenige Autos baute, deren Abgase die Luft nur ein ganz kleines bißchen verpesten konnten.

Dem Verfasser dieser Zeilen ist schon klar, daß sich im alltäglichen Sprachgebrauch der sperrige Begriff Deutsche Volksbenzreichsinterflugsegelschiffschenkertaxibahn wohl kaum durchsetzen wird. Schon bald wird dieses großartige Unternehmen eher als VEB Kombinat Weg von zu Hause bekannt sein.

Um die Bürger, die gerade nicht weg von zu Hause sind, kümmert sich dann der VEB Kombinat Wohnen und Schlafen, in dem alles Diesbezügliche zusammengefasst ist, vom Bauunternehmen über Gas/Wasser/Strom bis zur Herstellung von Kloschüsseln und den Matratzenherstellern.

Schließlich wäre Herrn Riexinger für Nebenbereiche von Wohnen und Schlafen noch die Gründung des VEB Kombinat FSDB zu empfehlen (Fressen-Saufen-Dokusoaps-Beischlaf). Da kann man alle Lebensmittel- und Getränkeproduzenten, Geschirr- und Besteckhersteller, Produzenten billiger Fernseh-Unterhaltung, Hersteller von Haushaltsgeräten und Hygieneartikeln sowie Bordellbetriebe zusammenfassen.

Es bleiben dann nur noch einige wenige Randfragen zu klären. Was macht man zum Beispiel mit Querschnittsdienstleistungen wie Pizzabringdiensten? Gehören die nun zum Mobilitätskonzern, oder doch eher zu Fressen-Saufen? Diese Fragestellung könnte man aber elegant umschiffen, indem man solche Zweifelsfälle ganz einfach von einer sowjetischen Aktiengesellschaft betreiben lässt. Das hat sich nach den Zweiten Weltkrieg ja zum Beispiel auch bei der Wismut AG schon bestens bewährt. Diese Konstruktion hat zudem den Vorteil, daß nach einer ja regelmäßig vorkommenden Änderung des politischen Systems der ganze hinterlassene Dreck (in unserem Fall also ein eifelturmhoher Müllberg an Pizzakartons) nicht mehr das Problem der Verursacher ist.

Zu guter Letzt muß dann aber auch noch der Finanz- und Wirtschaftshistoriker seinen Senf dazu geben. So ganz abwegig ist der Vorschlag von Herrn Riexinger nämlich gar nicht. Wir hatten in Deutschland mal eine großartige Idee. Die Magnetschwebebahn. Die hat übrigens der deutsche Ingenieur Hermann Kemper bereits 1934 zum Patent angemeldet, 1971 hat Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) dann in Ottobrunn bei München eine erste Versuchsstrecke gebaut. Mit deutscher Gründlichkeit haben wir das Potential dieser Idee in Jahren und Jahrzehnten quälender Diskussionen schließlich pulverisiert und am Ende die Chinesen die Früchte ernten lassen.

1980 bildete sich das Transrapid-Konsortium der Industrie, bestehend aus der AEG, BBC, Dywidag, Krauss-Maffei, MBB, Siemens und Thyssen-Henschel. Gesellschafter der 1982 gegründeten Transrapid-Versuchs- und Planungsgesellschaft waren: Die Deutsche Bahn und die Lufthansa. Und die beiden sollten auch gemeinsam die Transrapid-Strecke Berlin-Hamburg bauen und betreiben, die ab Anfang der 1990er Jahre konzipiert wurde, sich am Ende aber politisch ebenso wie andere Streckenführungen nicht durchsetzen ließ. Herr Riexinger macht de facto also gedanklich nur da weiter, wo die Regierung Kohl vor über zwei Jahrzehnten entnervt aufgegeben hatte.

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Höhepunkte der Auktion sind zum einen die Sammlung historischer Wertpapiere der Automobilindustrie des Anfang dieses Jahres verstorbenen früheren VW-Finanzvorstands und ewigen Piech-Widersachers Dr. Werner P. Schmidt sowie zum anderen Teil II einer der weltweit bedeutendsten Sammlung von US-amerikanischen Eisenbahn-Aktien. Als ob wir es schon geahnt hätten, daß man Herrn Riexinger sei Dank mit dem Thema „Mobilität“ jetzt ganz vorn mit dabei ist …

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