Frische Weidemilch

Ob der Immobilienmarkt im gegenwärtigen Zyklus bereits den Boden erreicht hat? Dem Verfasser dieser Zeilen stellt sich diese Frage nicht mehr. Schon lange gibt es für ihn am Immobilienmarkt nichts mehr zu analysieren, denn schon lange besitzen die von uns gehaltenen Fonds keine Immobilien mehr. Weil der Verfasser dieser Zeilen aber nun mal so gerne analysiert (und auch weil er sich an dieser Stelle seit mehr als einem Monat nicht mehr gemeldet hat) müssen dann halt andere Dinge herhalten. Frische Weidemilch von Hansano zum Beispiel.

Ich weiß nicht ob die geneigte Leserschaft mir das überhaupt zugetraut hätte, aber an einigen wenigen Tagen im Jahr überkommt mich ein unbändiges Verlangen nach Kellogs Frosties. Trotz aller dagegen von Ernährungswissenschaftlern völlig zu Recht zu erhebender Einwände. Und zu diesem Frühstück, wie gesagt an kaum einem halben Dutzend Tagen im Jahr, gehört nun mal Milch.

Zur Ehrenrettung von Hansano muß zunächst einmal gesagt werden: In der von mir vor wenigen Tagen erworbenen 0,5-L-Packung ist tatsächlich immer noch 1/2 Liter Milch. Obwohl Downsizing zur Kaschierung von Preiserhöhungen sonst überall Schule macht. Andere Anbieter von Frischer Weidemilch hätten die Füllmenge wohl längst auf sagen wir mal 420 ml reduziert und würden das Produkt in bestem Werbe-Schönsprech „Allgäuer Zwergenliter“ nennen.

Aber was verbirgt sich überhaupt hinter Frischer Weidemilch? „Leckerer Geschmack kommt von draußen“, schmeichelt sich der Erklärtext auf der Rückseite der Packung bei mir ein, „An mindestens 120 Tagen im Jahr haben unsere HANSANO Weidemilchkühe für mindestens sechs Stunden am Tag die Möglichkeit, auf saftigen Weiden zu grasen und Zeit an frischer Luft zu verbingen.“ Das klingt wirklich toll, oder?

Da war er jedoch wieder, der Moment, der angesichts durchlauferhitzter Sprechblasen den Abakus im Kopf des Verfassers dieser Zeilen zum Rattern bringt. 120 Tage sind 33 % eines Jahres. Sechs Stunden ergeben 25 % Freigang von der Zeit eines Tages. 25 % von besagten 33 %, das sind also auf die Gesamtstundenzahl eines Jahres gerechnet ein bißchen mehr als 8 % an der frischen Luft. Was umgekehrt bedeutet: Bis zu 92 % ihrer Zeit stehen die armen Rindviecher zwar im Stall, dürfen sich aber trotzdem mit dem Titel einer „Weidemilchkuh“ schmücken.

Doch was soll ich mich darüber jetzt echauffieren? Es ist nur ein eher sogar harmloses Beispiel wie es Konzerne aus reiner Umsatz- und Profitgier vollkommen selbstverständlich und richtig finden uns Verbraucher nach Strich und Faden zu verarschen. Für altmodische Dinge wie Ethos und Moral ist in unserer im wesentlichen nur noch auf materiellen Erfolg fixierten Konsumgesellschaft schon längst kein Platz mehr. Für gute Popmusik scheinbar auch nicht, wie gestern abend die beste Ehefrau von allen in vollkommener Einigkeit mit dem Verfasser dieser Zeilen bei den meisten European-Song-Contest-Beiträgen konstatierte, mal gar nicht zu reden von den dazu gelieferten in der Regel sinnfreien bis hirnlosen Bühnenshows.

Natürlich sagt sich das alles für den Verfasser dieser Zeilen im Habitus eines moralinsauren Apostels nur all zu leicht: Zum einen mangelt es ihm ja an nichts, schlimmer noch, er kann sich sogar den Luxus leisten auf gewisse wirtschaftliche Erfolge aus moralischen Gründen zu verzichten. Zum anderen, wenn man anständige Popmusik hören möchte, da bietet sich auf den Öffentlich-Rechtlichen meist mehrmals in der Woche die Gelegenheit die x-te Wiederholung der Erfolgsgeschichte von ABBA anzuschauen.

Warum habe ich Ihnen das jetzt alles geschrieben? Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Im häuslichen Gemüsegarten sind knappe 20 Kubikmeter Mutterboden durchzusieben. Die beste Ehefrau von allen erwartet Fortschritte. Trotz der Aussicht, nach getaner Arbeit von der gerade mit ihrem Chiropraktiker-Studium fertig gewordenen Nele van der Pütten mit ihren zarten Händen wieder eingerenkt zu werden habe ich einfach keine richtige Lust mir weiter das Kreuz zu verbiegen. Und nutze also jede Gelegenheit zu anderweitiger Beschäftigung, so sinnfrei sie auch sein mag. Ich nehme sogar mal an, die meisten ESC-Songschreiber hatten ähnliche Beweggründe … o:)

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