Wer nicht mit der Zeit geht …
Ich weiß nicht, geschätzte Leser, ob Sie das schon wussten: Sie sprechen hier mit einem Dinosaurier, der nicht einmal ein Smartphone besitzt. Ein Handy schon, aber ein altes Siemens-Teil mit Auszieh-Antenne, das immer noch funktioniert, aber nur dem Zweck dient Hilfe rufen zu können wenn der Verfasser dieser Zeilen mit dem Auto mal irgendwo liegen bleiben sollte. Sie sprechen hier mit jemandem, der in seinem ganzen Leben noch nie eine SMS geschrieben oder empfangen hat, WhatsApp nur vom Hörensagen kennt (und verabscheut, weil etwas, das nichts kostet, in keinem Fall gut sein kann) und der Facebook, Twitter, TikTok & Co. für Werkzeuge des Teufels hält. Nicht zuletzt, weil sie unserer Jugend tagtäglich viele Stunden wertvoller Lebenszeit und eine gesunde Entwicklung rauben und, in wissenschaftlichen Studien mit Vergleichsgruppen nachgewiesen, zur exponentiell fortschreitenden Verblödung des homo sapiens einen unheilvollen Beitrag leisten.
Der Verfasser dieser Zeilen glaubt nicht mehr an Wachstumsideologien, zieht fast jeden neuen Megatrend in’s Lächerliche und schockiert Andersdenkende mit der Aussage: „Fortschritt ist wie ein Haufen Unrat am Straßenrand: Seine Abwesenheit würde von niemandem bemerkt werden.“
Sie sprechen mit jemandem, der der festen Überzeugung ist, jede neue Entwicklung müsse, bevor sie weiterbetrieben wird, erst einmal von einem unabhängigen Gremium gründlich geprüft werden ob ihre Realisierung einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Menschheit zu leisten vermag. Schauen Sie sich doch bloß mal in der Welt um: Die Daniel Düsentriebs, Robert Oppenheimers, Murdochs und Musks auf dieser Welt einfach mal machen zu lassen führt uns am Ende doch eher an den Rand des Abgrunds.
Und dieser Absatz kann gewiß nicht enden ohne den obligatorischen Seitenhieb auf die sogenannte Künstliche Intelligenz: Ein nur die eingefütterten Daten nachplapperndes Äffchen, das zu eigenem kreativen Denken nie fähig sein wird, im Gegensatz zu jedem menschlichen Gehirn selbst produzierten Schwachsinn nicht einmal als solchen zu erkennen vermag. Aber mit seinem ungeheuren Stromverbrauch die Rettung des Weltklimas, so sie überhaupt hätte gelingen können, mit großem Erfolg konterkarieren wird.
Als die beste Ehefrau von allen, das Mädchen aus Ost-Berlin, 1990 mit dem Verfasser dieser Zeilen zusammenzog und fortan in seiner Firma für Historische Wertpapiere mitarbeitete, machte sie nach einigen Wochen den zaghaften Vorschlag, ein Faxgerät anzuschaffen. Besagter Dinosaurier wischte den Vorschlag vom Tisch mit der Bemerkung: „Was nicht einen Tag Zeit hat um mit der Post geschickt zu werden macht zu viel Streß.“ Ein paar Monate später wurde dann doch ein Faxgerät gekauft.
Bis heute hat der Verfasser dieser Zeilen die Angewohnheit, nach Betreten der Firma als erstes beim Faxgerät vorbeizuschauen. Heute, wahrscheinlich hat der Heilige Geist zur Feier des Tages ein paar Suppenkellen Erkenntnis über dem Rübenfeld verteilt, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Schon seit einigen Wochen ist hier kein einziges Fax mehr angekommen. Obwohl wir gerade einen großen Auktionskatalog draußen haben (warum nicht gleich mal auf www.historische-wertpapiere.de reinschauen, es lohnt sich). Noch vor wenigen Jahren ratterte das Faxgerät an Tagen vor einer Auktion unaufhörlich. Und unser Banker von der HypoVereinsbank entgegnete kürzlich auf den Vorschlag, ihm eine benötigte Unterlage per Fax zu senden, mit der Bemerkung: „Mal kucken ob das überhaupt noch funktioniert. Ich habe schon seit circa zwei Jahren kein Fax mehr bekommen.“
In einer der wirklich seltenen Anwandlungen von Selbstkritik ging mir heute nach dem wiederum überflüssigen Gang zum Faxgerät durch den Kopf, was mir schon 1988 der damalige Kollege Klaus Hellwig bei meinem Antrittsbesuch mit auf den Weg gab, kurz nachdem ich mein Hobby Historische Wertpapiere zum Beruf gemacht hatte: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Auf diesem Weg schreite ich heute ganz offensichtlich in Siebenmeilenstiefeln voran.
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