Neues vom Rübenfeld
Und dieses Mal wörtlich zu nehmen! Schaut der Verfasser dieser Zeilen aus dem Fenster Richtung Harz, dann sieht er nämlich zu dieser Jahreszeit üblicher Weise eine große weiße Dampfwolke. Das deutet auf die Zuckerfabrik Schladen, eines der fünf übrig gebliebenen inländischen Werke der Nordzucker AG, deren Kampagne meistens Anfang September startet. Früher gab es übrigens ein viel dichteres Netz von Zuckerfabriken in unserer Region; selbst wir sitzen mit unserem Büro in ehemaligen Werkswohnungen auf dem Gelände der bis in die 1950er Jahre produzierenden Zuckerfabrik Salzdahlum.
Doch Schladen ist kein gewöhnliches Nordzucker-Werk. Schladen ist die einzige Fabrik des zweitgrößten deutschen Zuckerkonzerns die auch Bio-Zucker erzeugt. Und die Bio-Rüben müssen gleich zu Kampagnebeginn in der noch blitzblank geputzten Fabrik als allererstes verarbeitet werden, damit der Bio-Zucker ja nicht mit dem Sirup der hundsgewöhnlichen Zuckerrübe aus konventioneller Erzeugung kontaminiert werden kann.
Also haben die Bio-Bauern aus dem gesamten Nordzucker-Einzugsgebiet ihre Bio-Rüben schon vor vielen Wochen per LKW nach Schladen karren lassen. Teilweise bis aus Schleswig-Holstein hunderte Kilometer durch den Elbtunnel. Das ist dann schon mal die erste Stelle, an der man sich fragt, ob Bio zugleich auch ökologisch ist.
Dann passierte gleich nach Anfahren der Zuckerfabrik Schladen das Malheur: Die Maschine, die den Saft aus den Rüben presst, ging kaputt. Seit Wochen stand Schladen deshalb still, jedenfalls bis gestern. Seit Wochen lagen die Bio-Rüben auf dem Fabrikgelände und konnten nicht verarbeitet werden. So richtig wollte das eigentlich aber auch niemand, denn fast der gesamte im letzten Jahr erzeugte Biozucker liegt noch im Lager. Keiner will ihn haben.
Also fasste man zwischendurch den folgerichtigen Entschluss, die Bio-Rüben einfach auf einen Haufen mit den konventionell erzeugten zu schmeißen und alles zu ganz gewöhnlichem Haushaltszucker zu verarbeiten. Aber das ging in Schladen erst mal nicht, die Fabrik stand ja still. Folglich mussten die Bio-Rüben, die man zuvor teils hunderte von Kilometern per LKW herangekarrt hatte, wieder aufgeladen und noch einmal 120 km per LKW in das große Nordzucker-Werk in Uelzen gekarrt werden. Oder besser, sollten gekarrt werden. Denn seit die Nordzucker den Bauern die Rübenlogistik abgenommen hat klappt da auch nicht mehr unbedingt alles.
Für die Transporte von Schladen nach Uelzen hätten nämlich 40 LKW fahren müssen. Jeden Tag! Dummerweise standen die nicht irgendwo rum und warteten nur drauf dass der Nordzucker-Vorstand ein Taxi ruft. Seit gestern läuft die Fabrik in Schladen nun wieder und der Verfasser dieser Zeilen sieht aus seinem Bürofenster endlich wieder die jahreszeittypische weiße Dampfwolke. Denkt dabei an die gewöhnlich als übergrüne Gutmenschen dargestellten Ökofritzen und kratzt sich ziemlich ratlos am Kopf, was das alles noch mit Ökologie zu tun haben soll.
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