Die Relativitätstheorie vom Rübenfeld
Gerade erst der vorige Beitrag führte der geneigten Leserschaft vor Augen, daß der AXA Immoselect relativ kurz in der Vertriebsphase war, dafür aber relativ lange in der Abwicklungsphase. Zeit ist eben in allen Dingen genau so relativ wie auf der anderen Seite relevant, wie der Verfasser dieser Zeilen aus seiner eigentlichen Profession, nämlich der Erforschung der Finanzgeschichte, nur all zu gut weiß.
Noch ein Sondervermögen, noch eine soziale Wohltat mehr, noch mehr aufgeblähte Behörden: Wenn man die ungebremste Ausgabenwut der Politik diesseits und jenseits des Atlantiks betrachtet kann einem heutzutage schon schwindelig werden. Na gut, gegen aufgeblähte Behörden soll ja der durchgeknallte Elon im Land der aufgehenden Schamesröte mal etwas unternehmen. Aber selbst wenn es ihm gelänge, was soll das bitteschön helfen in einem Land, das in nur einer Generation seine Staatssschulden von 5,6 Billionen $ im Jahr 2001 auf heute 35,3 Billionen $ mehr als versechsfacht hat? Und schon summt in meinem Kopf „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinke Pinke, wer hat so viel Geld?“ Na ja, bestellt hat’s der Wähler, dem vermutlich nicht in jedem Fall klar ist daß Staatsschulden im Grundsatz ziemliche Scheiße sind. Doch auch nur die wenigsten Politiker haben verstanden oder wollen verstehen, was für ein süßes Gift Staatsschulden in Wahrheit sind, weshalb man dem armen Wähler nun wirklich nicht so viel vorwerfen kann.
Und vermutlich nicht in jedem Fall klar ist das Problem immer neuer Schulden dem besagtem Wähler auch einfach deswegen, weil die meisten Menschen nur relativ kurze Zeitspannen auf dem Schirm haben. Anders als der in Finanzgeschichte gebadete Verfasser dieser Zeilen, den zu diesem Beitrag eine alte Anleihe der Charleston and Savannah Rail Road aus dem Jahr 1856 animierte, die ihm bei seiner täglichen Arbeit gerade in die Finger kam.
Aus diesem Bond lernen wir drei Dinge:
Erstens: Diese Anleihe wurde nie zurückgezahlt, nachdem die Bahngesellschaft 1873 in Konkurs gegangen war.
Zweitens: Die vom Staat South Carolina für Kapital und Zinsen übernommene Garantie erwies sich als vollkommen wertlos. Denn ein jeder Staat konnte, kann und wird sich auch in Zukunft seiner Schulden per Federstrich entledigen, wenn es opportun erscheint.
Wer das nicht glauben will: Bei Lektüre des absolut lesenswerten Wikipedia-Beitrags zum Thema „Staatsbankrott“ erfährt der geneigte Leser, daß der IWF zwischen 1824 und 2004 nicht weniger als 257 Staatsinsolvenzen gezählt hat. Südamerika, insbesondere Chile (7 x) Brasilien (6 x) und Argentinien (ebenfalls 6 x) überraschen eher nicht, doch wer hätte schon gedacht dass Europa in der Spitzengruppe locker mithalten kann? Spanien (7 x), Österreich (5 x), Portugal (4 x) oder Griechenland (3 x) haben ihren Gläubigern schon genau so oft den Stinkefinger gezeigt …
Sollten Sie also immer noch an Staatsanleihen als sichere Geldanlage glauben, dann sollte Ihnen zu denken geben: Fast 80 % aller Staatsanleihen der letzten zwei Jahrhunderte weltweit wurden am Ende nicht ordnungsgemäß bedient.
Früher lösten die großen Kapitalgeber dieser Welt (allen voran Großbritannien) Probleme mit der Zahlungsmoral eines Anleiheschuldners ganz einfach durch Entsendung von ein paar Kanonenbooten, die sich deutlich sichtbar vor der Küste eines zahlungsunwilligen Landes positionierten. Meistens bediente die betreffende Bananenrepublik ihre Auslandsschulden dann wieder. Aber diese Methode ist heute nur noch bei russischen Inkassodiensten gebräuchlich, auf internationaler Ebene war sie eine Zeit lang aus der Mode gekommen.
Die Erklärung, warum die Garantie des Staates South Carolina für die Anleihe der Charleston and Savannah Rail Road am Ende wertlos war, findet sich übrigens im 1868 verabschiedeten 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, wonach „weder die Vereinigten Staaten noch irgend ein anderer Staat irgendeine Schuld oder Verpflichtung übernehmen oder zahlen soll, die eingegangen wurde zur Unterstützung von Aufstand oder Rebellion gegen die Vereinigten Staaten (…) alle solche Schulden, Verpflichtungen und Ansprüche sind illegal und nichtig“. Und damit waren alle Schulden oder Verpflichtungen der Südstaaten mit einem Federstrich aus der Welt geschafft …
Drittens: Selbst wenn man sein Geld eines Tages doch zurückbekommt, man darf die Erosionskräfte ständiger Geldentwertung nicht unterschätzen. Waren die 500 $ Nennwert der Anleihe im Jahr 1856 noch relativ viel Geld, so sind 500 $ heutzutage relativ wenig. Auch auf diesen Trichter kam der Verfasser dieser Zeilen durch die alte Anleihe der Charleston and Savannah Rail Road, auf der der geneigte Investor schwarz auf weiß liest: „102 Miles in Length, Estimated Cost, Equipped $ 1.800.000“
Nominal gesehen hätte die CS Realwerte AG also allein mit dem Geld aus der Ausschüttung, die sie nächste Woche vom KanAm grundinvest erhalten wird, gleich zwei solcher 150 km langen Eisenbahnen bauen können, und zwar voll ausgestattet mit Bahnhöfen, Lokschuppen und allem Rollmaterial. Und ein Dollar ist ja immer noch ein Dollar. Doch leider, plakativer lässt es sich kaum noch darstellen, gab es inzwischen ein bißchen Geldentwertung und speziell Eisenbahnen (fragen Sie mal den Bahnvorstand) sind heute relativ teuer geworden. Die in nominalen Dollar ausgedrückten Schulden dagegen bleiben für die Ewigkeit gleich, werden aber real immer weniger wert …
Lust auf noch ein bißchen mehr in der Finanzgeschichte schnuppern? Gerade ist der neue Katalog zur 127. Auktion der Freunde Historischer Wertpapiere am 15. März 2025 in Wolfenbüttel online gegangen. Einfach gleich mal anschauen auf https://www.fhw-online.de
Sollten Sie die altmodische Variante eines gedruckten Kataloges bevorzugen dann einfach kostenlos anfordern unter info@CSrealwerte.de
Categories: Neuigkeiten