Brexit – wohin gehen die Immobilienmärkte?

Auch aus der Fußball-EM sind die Engländer raus nach der Niederlage gegen Island in einem sehr sehenswerten Spiel. Der Brexit nimmt also auf allen Gebieten langsam Gestalt an. Das ist nicht mehr als eine nüchterne Feststellung, keine Häme. England ist die mit weitem Abstand älteste Demokratie unter den großen Ländern in Europa. Dort vom Volk in demokratischer Abstimmung getroffene Entscheidungen zu kritisieren steht uns nicht zu, mögen wir sie noch so blöd finden.

Die Börsen knirschen, das Pfund Sterling fällt auf den niedrigsten Stand der letzten 30 Jahre. Nicht wenige malen das Gespenst einer globalen Rezession an die Wand. Was wir für maßlos übertrieben halten, genau so wie wir glauben, daß dem Thema Brexit augenblicklich eine schicksalschwere Bedeutung beigemessen wird, die ihm nie im Leben tatsächlich zukommt. Ein ordentlicher Vulkanausbruch auf Island oder ein kleiner Atomunfall in Japan hat, wie wir in den letzten Jahren lernen durften, genau so viel oder genau so wenig Auswirkungen auf die Weltwirtschaft wie der Brexit. Unschön, aber: Die Show geht weiter. Hand auf’s Herz: Würde der europäische Durchschnittsbürger, also Sie oder ich, irgendwelche Beeinträchtigungen seiner Lebenqualität fühlen, nur weil das Wirtschaftswachstum mal 0,5 oder 1,0 % geringer ausfällt?

Doch unsere Medien brauchen Negativ-Schlagzeilen, jede Woche muß eine neue pickelverseuchte publizistische Sau durch’s Dorf getrieben werden. Euro-Krise, Griechenland-Kollaps, ein bißchen Flüchtlingskrise, Trump als Präsidentschaftskandidat und jetzt der Brexit: Das Geschäft mit der Angst ist nun mal ganz wunderbar lukrativ. Deshalb kriegen wir von der Journaille die Welt jeden Tag viel negativer dargestellt als sie in Wirklichkeit ist, und die möglichen Auswirkungen aktueller Ereignisse werden oft maßlos übertrieben. Zwei Monate später ist es dann jeweils kein Thema mehr.

Aber zeitkritische Anmerkungen aus Wolfenbüttel scheren die Finanzmärkte nicht. Dort regieren seit Jahrhunderten genau zwei Strömungen: Die Gier und die Angst. Und nach dem Brexit wuchs die Angst ganz gewaltig. Märkte sind vor allem Psychologie. Vernunft und sachliche Argumente dagegen sind für die Erwartung künftiger Marktentwicklungen in solchen Zeiten eher kein verläßlicher Ratgeber.

Natürlich beschäftigt uns seit letzten Freitag eine Frage ganz gewaltig: Welche Auswirkungen könnte die fundamental veränderte Situation im europäischen Haus für die Gewerbeimmobilienmärkte insgesamt haben?

Der Nebel hat sich noch längst nicht gelichtet, deshalb heute einfach nur ein paar Gedankensplitter:

a) Immobilien sind Sachwerte. Sachwerte bekommen gerade in Krisenzeiten eher Auftrieb.

b) Durch die jüngsten Ereignisse ist die Wahrscheinlichkeit stark gestiegen, daß die Null- bzw. Negativzinsphase nun noch länger anhält. Das stützt die Immobilienmärkte. Zinswende? In diesem Jahrzehnt mit Sicherheit nicht mehr, hörte ich letzte Woche in Frankfurt unisono von mehr als einem halben Dutzend Finanzmarktfachleuten bei meinen Besuchen.

c) Ganz entscheidend bleibt die Renditedifferenz. Auch wenn die Anfangsrenditen bei Immobilientransaktionen seit knapp zwei Jahren unter Druck sind (sprich im Umkehrschluß: die Immobilienpreise steigen), hat sich die absolute Renditedifferenz zwischen den Bondmärkten und den Immobilienmärkten in dieser Zeit immer noch mehr ausgeweitet.

Die Immobilienmärkte und ihre Akteure sind hier inzwischen in einem echten Dilemma. Dazu sagte auf einer Investment-Konferenz am 22.6.2016  in Hamburg Dr. Christoph Schumacher, Mitglied der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH (Gruppe Volks- und Raiffeisenbanken),  selbst einer der größten Akteure im Immobilienfonds-Geschäft: „Die Rendite-Differenz zwischen Bond- und Immobilienmärkten ist inzwischen auf historisch noch nie dagewesene 5 % angestiegen. Das setzt die Immobilien-Renditen tendenziell weiter unter Druck. Die meisten Sorgen mache ich mir dabei um meine Kollegen bei den Mischfonds-Managern: Sie wissen nicht mehr, woher sie noch Rendite bekommen sollen, und schielen auf die Immobilien-Renditen als reine Kennzahl. 5 % Mehrrendite gegenüber Bonds erscheinen ihnen höchst attraktiv. Aber Immobilien haben im Vergleich zu Anleihen eben auch ganz andere spezifische Risiken, die entsprechend bepreist sein müssten. Davon verstehen die Mischfonds-Manager zwar überhaupt nichts, aber rufen bei mir ganz laut nach Produkten, mit denen sie an den relativ gesehen hohen Immobilien-Renditen durch indirekte Anlagen partizipieren können.“

Die weitgehende Abwesenheit von Rendite bei vielen ehedem klassischen Anlageformen sollte also, Brexit hin, Brexit her, die Gewerbeimmobilienmärkte wenigstens noch eine Weile stützen können. Ihre Bestätigung findet diese Annahme in einer Präsentation von Dr. Thomas Beyerle, Geschäftsführer der Catella Property Valuation Germany GmbH (Tochter des international führenden schwedischen Immobilien-Dienstleisters Catella). Auf der gleichen Veranstaltung letzten Mittwoch in Hamburg stellte er über einen Zeitraum von 10 Jahren die Transaktionsvolumina auf den europäischen Immobilienmärkten der Investoren-Nachfrage gegenüber:

PropertyEU_European Outtlook H2_Hamburg 22 June_2016

European transaction volume vs. available capital

(zum Vergrößern bitte einfach auf die Grafik klicken)

Die Größe „verfügbares Anlagekapital“ wird dabei ziemlich präzise durch Umfragen unter allen in Frage kommenden institutionellen Investoren ermittelt, und hier spiegeln sich der aktuelle Anlagenotstand und die woanders fehlende Rendite direkt wider: Entsprach vor der letzten Finanzkrise in 2007 die Größenordnung Transaktionsvolumen (226 Mrd. €) noch weitgehend dem anlagesuchenden Kapital (250 Mrd. €), so hat sich die Differenz mit Fortschreiten der Niedrigzinsphase immer mehr ausgeweitet: In 2016 erwartet man beim Transaktionsvolumen mit 290-320 Mrd. € einen noch nie dagewesenen Höchststand. Im Immobilienbereich anlagesuchend ist dieses Jahr aber mit 700 Mrd. € mehr als doppelt so viel wie der Markt hergibt.

Es wäre vielleicht ein zulässiger Schluß, zu sagen: Selbst wenn der Brexit einige Investoren zu größerer Abstinenz veranlasst, der Nachfrageüberhang ist so gewaltig, daß es den Immobilienmarkt nicht besonders beeinträchtigen wird.

Aber, wie gesagt: Das ist das sachliche Argument der Vernunft, das in solchen Zeiten vielleicht nur bedingt zählt. Märkte sind nicht Vernunft, sondern Psychologie. Wir werden deshalb die Entwicklung der Märkte und insbesondere auch offenkundige Auswirkungen auf die Transaktionsfreudigkeit weiter ganz besonders aufmerksam beobachten und nötigen Falls fix reagieren.

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