Ich glaub‘, es geht schon wieder los …

… schmettert Roland Kaiser seit 1988 in die Mikrofone. Irgendwie kriegt der Verfasser dieser Zeilen diesen Ohrwurm seit heute vormittag nicht mehr aus seinem Kopf raus.

Mitteilung der BNP Paribas REIM Deutschland

„Der offene Immobilienfonds INTER ImmoProfil von BNP Paribas REIM Deutschland hat seit 1998 eine erfolgreiche Performance gezeigt *** Weihrauchautomatik *** Weihrauchautomatik *** Weihrauchautomatik …

Nach nun fast 25 Jahren hat der IIP das Ende seines Lebenszyklus erreicht …

Nun folgt mit der heutigen Kündigung der Verwaltung des Sondervermögens zum 30. September 2025 der nächste logische Schritt …

Leider müssen wir mit der Kündigung der Verwaltung auch gleichzeitig die Rücknahme der Anteilscheine aussetzen.“

Irgendwie fühlt sich der Verfasser dieser Zeilen jetzt doch in einer Endlosschleife gefangen. Und grübelt darüber nach, wie ihm das nur passieren konnte. Nämlich, daß ihm bisher die offenbar bestehende Gesetzmäßigkeit völlig entgangen ist, daß ein Immobilienfonds mit 25 Jahren das Ende seines Lebenszyklus erreicht bzw. daß ein solcher überhaupt existiert.

Die Welt ist gaga

Die Welt ist gaga, sie war es schon immer, und sie wird es auch immer bleiben.

Gerade befasst sich ein vierköpfiges Readaktionsteam des „Spiegel“ mit dem milliardenschweren Immobilien-Imperium des österreichischen Glamourboys René Benko. Sie wissen schon, der, der Karstadt-Kaufhof gerade das zweite Mal vor die Wand fahren ließ, nachdem er schon vor Jahren mit Schützenhilfe einer stinkreichen thailändischen Familie die Perlen wie das Berliner KdW herausgelöst und in seine Privatschatulle umgebucht hatte.

Lange hielt man den schönen René für ein ausgesprochenes Genie im Immobiliengeschäft. Der „Spiegel“ meint nun aber zu wissen, dass dem Genie inzwischen ziemlich der Arsch auf Grundeis geht. Denn seine ganzen stark kreditfinanzierten neuen Projekte funktionierten in den letzten Jahren vor allem dank, wenn nicht sogar nur durch regelmäßiges Hochschreiben der Verkehrswerte im Bestand. Ohne diese nur auf dem Papier gezeigten Gewinne sähe das Signa-Imperium des Herrn Benko wohl derzeit nicht besonders prall aus, glaubt der „Spiegel“.

Schon sieht man einige seiner Prestige-Projekte wackeln, allen voran den Elbtower, der demnächst mal an den Hamburger Elbbrücken in der Gegend rumglitzern sollte.

Was den Verfasser dieser Zeilen jetzt wundert, ist die Tatsache, dass sich überhaupt jemand über das mögliche Scheitern eines Immobilien-Tycoons wundert. Das war doch bisher in jedem Zyklus so. Warum sollte es ausgerechnet heute ganz anders kommen? Von daher gilt eben auch: Wer die Krise am Immobilienmarkt vorschnell für beendet erklärte (einige Stimmen in der Wirtschaftspresse klangen in den letzten Wochen danach), der hat, mal ausgesucht freundlich ausgedrückt, scheinbar ein ganz sonniges Gemüt. In jedem Abschwung fressen sich die Probleme zwar langsam, aber mit der Unaufhaltsamkeit eines Flözbrandes in die Branche hinein. Deren Zyklik und Volatilität übrigens, allen Ammenmärchen vom „Betongold“ zum Trotz, auch nicht kleiner ist als die des Aktienmarktes. Schon seit einem Jahr treibt den Verfasser dieser Zeilen der Gedanke um: Das dicke Ende in den Immobilienmärkten haben wir im gegenwärtigen Abschwung noch lange nicht gesehen.

All das durfte der Verfasser dieser Zeilen in den letzten 11-12 Jahren über einen vollständigen Zyklus hinweg lernen, nachdem ihn das Schicksal ganz unerwartet in den Nischenmarkt „abwickelnde Offene Immobilienfonds“ geführt hatte.

Und warum? Nur weil die Aktien-Gesellschaft für Historische Wertpapiere um 2010/11 mit Sondergeschäften mit bis heute unbezahlten Mexico-Anleihen von Anfang des letzten, Ende des vorletzten Jahrhunderts richtig viel Geld gemacht hatte, das sinnvoll unterzubringen war. Durch Ausgliederung dieser Aktivitäten aus der AG Hist entstand dann Ende 2014 die CS Realwerte Aktiengesellschaft. Übrigens, von den damaligen Käufern dieser Bonds, die in der Spitze sechsstellige Beträge pro Stück bezahlten, hat man später nie wieder etwas gehört …

Daran musste der Verfasser dieser Zeilen heute schmunzelnd denken. Seit Wochen kriegt er aus Südamerika per email die Bude eingerannt von Leuten, die Schuldverschreibungen der Stadt Elberfeld kaufen möchten – ausgegeben im März 1922 mit einem kurz darauf von der Hyperinflation vollkommen entwerteten Nennwert von 1.000 Papiermark. Hauptsache unentwertet und es sind noch Kupons dabei, das braucht man halt heute von Brasilien bis Peru.

Auf einer unserer Online-Auktionen Anfang letzten Jahres wurde so ein Stück zuletzt mit 12 Euro zugeschlagen. Heute zahlen mir allwissende Investoren aus Brasilien 750 Euro pro Stück.

Die Welt ist gaga, und sie wird es immer bleiben. Darauf mal wieder ein Pülleken Puffbrause … o:)

Ein neuer Finanzgigant entsteht (Epilog)

Ich schulde der geschätzten Leserschaft noch die am Schluß des Beitrags vom 1. April angekündigte Erklärung zur Banque Nationale de Belgique S.A. Wie eine Bombe schlug am Donnerstag Abend letzter Woche die Veröffentlichung der 2022er Resultate der Bank ein. Ein Verlust von 580 Mio. Euro, die Dividende (abgesehen von satzungsgemäßen 6 % auf die 25-Euro-Aktie) fällt aus. Das war erwartet worden. Nicht erwartet war aber, was die Bank in einerseits bewundernswerter, andererseits aber auch tief erschreckender Offenheit ankündigte: Unveränderte Bilanzstrukturen und ein Eintreten des erwarteten Zinsentwicklungsszenarios unterstellt dürften sich in den nächsten fünf Jahren weitere Verluste von 10,8 Milliarden Euro anhäufen.

Einerseits lasten riesige Pakete niedrig verzinslicher Anleihen auf der Bilanz, andererseits muß die Bank immer höhere Einlagenzinsen zahlen. Das zehrt nicht nur das Eigenkapital der Bank und alle in der 173-jährigen Geschichte aufgebauten Reserven vollständig auf, sondern dreht das Eigenkapital zudem noch mit rd. 4 Milliarden Euro in’s Negative. Nun ist ein negatives Eigenkapital für eine Zentralbank für sich genommen absolut kein Problem: Sie macht das Geld schließlich selber und kann deshalb ex definitione nicht pleite gehen.

Aber dass diese Scharte ausgewetzt ist und wieder eine anständige Dividendenausschüttung möglich werden wird, das wird der Verfassers dieser Zeilen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erleben. Auch wenn die Bank erwartet, nach fünf Jahren wieder profitabel zu arbeiten: Bevor überhaupt wieder an eine Dividende zu denken ist, muß dann erst einmal das negative Eigenkapital abgearbeitet werden. Also werden sich die Folgen der riesigen Anleihenankaufsprogramme und der dann einsetzende abrupte Zinsanstieg wohl noch die nächsten 15, 20 Jahre in künftige BNB-Bilanzen hineinfressen. Es war deshalb schlechthin alternativlos, sich von den über Jahre lieb gewonnenen Aktien der Banque Nationale de Belgique S.A. zu trennen – auch wenn eine Börsenbewertung von kaum 240 Mio. Euro weiterhin lächerlich erscheinen mag.

Und in einer ziemlich schlaflosen Nacht ging dem Verfasser dieser Zeilen erstmals der Gedanke durch den Kopf: Leute wie Peter Gauweiler, die schon vor Jahren gegen die Staatsanleihenankaufsprogramme klagten, könnten am Ende vielleicht klüger und weitsichtiger gewesen sein als er selbst.

Ehrbarer Kaufmann versus Winterkörner

Der Verfasser dieser Zeilen dankt der geneigten Leserschaft für dutzende in der Mehrzahl sehr aufschlußreiche Kommentare zu seinem Beitrag vom 1. April („Ein neuer Finanzgigant entsteht“). Sein besonderer Dank geht an unseren Aktionär C. S. aus H. sowie Prof. Dr. R. in B. für die unmittelbare Zusendung zweier Pülleken resp. eines Kistchens Puffbrause.

Nicht zufällig erschien der Beitrag am 1. April. Die verehrten Damen und Herren Aktionäre können also versichert sein, dass der Verfasser dieser Zeilen und Vorstand der CS Realwerte Aktiengesellschaft in Wirklichkeit nicht die Absicht hat, eine Mauer zu bauen, … ääh … die CS Realwerte Aktiengesellschaft zum zweitgrößten Aktionär der ehrwürdige 173 Jahre alten Banque Nationale de Belgique S.A. und in der Folge durch simple Hebelmechanik der Rechnungslegung zu einem Finanzgiganten zu machen. Die bitterböse kleine Satire sollte lediglich am Beispiel eines besonders krassen Extremfalls zeigen, was IFRS in Wirklichkeit ist: Nichts weiter als ein Durchlauferhitzer zur Erzeugung von heißer Luft.

Als dem Verfasser dieser Zeilen im letzten Jahrhundert in der Abendschule die altmodische Art der Buchführung und Bilanzierung beigebracht wurde, galt noch das Niederstwertprinzip. Die Anschaffungskosten waren stets die obere Grenze für die Bilanzierung eines Vermögenswertes – nur für ggf. niedrigere Bewertungen spielten Marktwerte überhaupt eine Rolle. Beim strengen Niederstwertprinzip nannte man es das Imparitätsprinzip: Nicht realisierte Verluste waren auszuweisen, nicht realisierte Gewinne dagegen nicht.

Damit sind wir jahrzehntelang gut gefahren, und auch das deutsche Nachkriegs-Wirtschaftswunder fand statt, obwohl Börsentermingeschäfte oder gar Leerverkäufe zu der Zeit noch bei Strafe verboten waren. Bis ab Anfang der 1990er Jahre ein paar ausgemachte Schwachköpfe unter geistiger Führung der Dame Thatcher auf die Idee kamen, die Finanzmärkte und in der Folge auch die Rechnungslegungsvorschriften müssten „liberalisiert“ werden. Was uns das gebracht hat, sehen wir mit jeder über uns hereinbrechenden Krise auf’s Neue. Die zombiemäßige Wiederauferstehung finanzgeschichtlich Untoter wie Leerverkäufer beispielsweise.

Das wirklich Fatale an der ganzen eigentlich nur satirisch gemeinten Geschichte ist: Früher wäre das so ganz bestimmt nicht gegangen. Aber heute? Den im Beitrag vom 1. April skizzierten Plan zur Erschaffung eines Finanzgiganten in die Tat umzusetzen wäre völlig legal, und der Verfasser dieser Zeilen könnte es tatsächlich mit wenigen Federstrichen tun. Die Bestätigung lieferte ganz ungeplant das „Handelsblatt“ am 5.4. (siehe unser Beitrag „Und gleich der nächste Finanzgigant“ zur Credit-Suisse-Übernahme durch die UBS). Also möchte besagter Verfasser lieber gar nicht wissen, wie viele Bilanzen auf Gottes Erdboden inzwischen bereits nach diesem Strickmuster als potemkinsche Dörfer zusammengezimmert sind. Ich sage nur „immaterielle Vermögensgegenstände“ oder „Goodwill“, also die Bilanzierung von real gar nicht existierendem Phantomvermögen. Nur weil da irgendwelche Bilanzakrobaten hinter irgendeiner dunklen Ecke einen Marktwert zu erkennen glauben.

Sollten Sie, verehrte Leserinnen und Leser, also bei irgendeiner Kapitalanlage (es muß ja gar nicht Wirecard gewesen sein) schon mal in’s Klo gefasst haben, so habe ich für Sie die zugegebener Maßen wenig tröstliche ultimative Weisheit vom Rübenfeld: Das Geld ist nicht weg. Es hat nur wer anders. Oder, zweite Variante nach IFRS: Es war in Wirklichkeit nie da.

Ich hätte wirklich so gerne bei den Vorständen dieser Republik den von keinerlei Erwartung unappetitlich hoher Boni geplagten ehrbaren Kaufmann zurück. Von dem nicht ständig verlangt wird, vor allem über „Wertsteigerung“ für die Anteilseigner nachzugrübeln. Die geht nämlich bei verständiger Betrachtung der Gesamtzusammenhänge gemeinhin auf Kosten der Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern, der Beschäftigten hier bei uns, der Kunden und wenn’s am Ende schief geht der Allgemeinheit.

Aber die Winterkörner dieser Welt dürfen selbst dann den größten Teil ihrer unanständigen Boni behalten. Und zu allem Überfluß auch noch auf verhandlungsunfähig machen, wenn sie sich der Verantwortung stellen sollen. In längst vergangenen Zeiten wäre einem da unter Umständen ein „vaterlandslose Gesellen“ über die Lippen gerutscht. Womit sich der Kreis zu den Leerverkäufern unserer Tage dann auch wieder geschlossen hätte.  Alles Leute, die ganz unbelastet von irgendeiner Moral nur ihren eigenen Vorteil auf Kosten vom Rest der Menschheit im Auge haben. Deren gesamtwirtschaftlicher Nutzen aber exakt so groß ist als wie wenn jemand auf dem Mond Zigarettenstummel auffegt. Denken Sie mal drüber nach …

Und gleich der nächste Finanzgigant

„Der Schweizer Großbank UBS winkt in diesem Jahr ein Rekordgewinn. Davon gehen Analysten im Gespräch mit dem Handelsblatt aus. Grund dafür ist der niedrige Kaufpreis für die Credit Suisse. Für rund drei Milliarden Dollar erhält die UBS Zugriff auf das Eigenkapital des einstigen Konkurrenten. Es belief sich zuletzt auf über 43 Milliarden Dollar. Ein weiterer Vorteil ist der Schuldenerlass in Höhe von 16 Milliarden Dollar. Beide Faktoren blähen Gewinn und Eigenkapital der neuen Megabank auf,“ konnte man heute früh gleich auf der Titelseite des „Handelsblatt“ lesen.

Das kommt Ihnen jetzt irgendwie unheimlich bekannt vor? Jedenfalls wenn Sie am 1.4. hier an gleicher Stelle staunend gelesen hatten, wie sich der Verfasser dieser Zeilen die Teilübernahme der Banque Nationale de Belgique S.A. durch die CS Realwerte Aktiengesellschaft vorstellt, und welche bilanziellen Folgen ein solcher Geniestreich bei der CS hätte?

Aber nicht doch! Sie haben es doch nicht etwa ernsthaft für möglich gehalten, die Bilanzen auf dieser Welt würden seit Einführung von IFRS in Disney-Dollar erstellt … o:)

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