Ein bißchen gaga

Mit Offenen Immobilienfonds in Abwicklung beschäftigen wir uns nun schon seit mehr als 10 Jahren. Das Thema schien uns so spannend und vielversprechend, daß es die Aktien-Gesellschaft für Historische Wertpapiere Ende 2014 dann in eine eigene Einheit, die CS Realwerte Aktiengesellschaft ausgegliedert hat. Vor allem, um mit einer Optimierung der Eigen- und Fremdkapitalkomponenten die hier vorhandenen Skaleneffekte nutzen zu können. Anfangs hatten wir uns mal vorgestellt, hier mit 3 Mio. EUR unterwegs zu sein (und nicht jeder in der Firma war davon überzeugt, daß das klappt). Heute sind es mehr als 30 Mio. EUR …

In dieser langen Zeit haben wir dann eigentlich so alles erlebt, was man mit einem so speziellen Thema nur erleben kann. Preisliche Katastrophen beim Abverkauf der Immobilienbestände zum Beispiel. Es ist kein Einzelfall, daß Objekte für weniger als 10 % des Wertes über den Tisch gingen, den ein Fonds oft nur wenige Jahre zuvor beim Erwerb mal gezahlt hatte. Einkaufszentren in mediterranen Ländern, diese Erfahrung nimmt man nach all den Jahren mit, schienen übrigens besonders anfällig für den berühmten „Griff in’s Klo“.

In der Abwicklungsphase zeigte sich, welches Fondsmanagement etwas taugte und welches nicht. Als „Klassenbesten“ erwähnen wir da auch gern noch mal den KanAm grundinvest, der am Ende sein gesamtes Immobilienportfolio zu im Durchschnitt über den letzten Buchwerten liegenden Preisen zu veräußern vermochte. Sollte er mal was übrig haben würde der Verfasser dieser Zeilen sein Geld den KanAm-Leuten ziemlich unbesehen anvertrauen. Kaum jemand in der Branche versteht sein Handwerk so gut wie die.

Wie lange wir mit diesem Thema noch zu tun haben würden, das haben wir (wie wahrscheinlich fast alle anderen Akteure auch) zu Anfang gnadenlos unterschätzt. Man konnte es sich einfach nicht vorstellen, daß bei manchen Fonds die Abwicklungsphase mehr als doppelt so lange dauern würde wie ihre nach Fondsauflegung aktive Zeit. Selbst ein Methusalem der Branche wie der SEB Immoinvest, bereits 1989 aufgelegt, steuert da am Ende mit seiner Abwicklungsdauer im Vergleich zur aktiven Vertriebsphase auf ein Verhältnis von 1:1 zu.

Rückschauend betrachtet war es die Würze in unserem Geschäft, damals beim konkreten Eintritt von Ereignissen aber für den Verfasser dieser Zeilen und andere Akteure oft ein schierer Alptraum: Ständig passierten bei der Abwicklung unserer Offenen Immobilienfonds Dinge, die man sich vorher schlicht nicht hätte vorstellen können. Neben grottenschlechten Verkäufen, öffentlichen Erwerbsangeboten US-amerikanischer Hedgefonds, dem von der BAFin angeordneten sinnlosen Rausverkauf der OIF-Bestände aller ebenfalls abwickelnden Dachfonds ohne Rücksicht auf Verluste und einer zweimaligen vollständigen Umstellung der steuerlichen Behandlung waren dies auch Kapriolen in der Kursentwicklung, die mehr als einmal die Beleihungsgrenzen unserer Banken testeten. Freimütig gibt der Verfasser dieser Zeilen deshalb zu: In den vergangenen acht Jahren hatte er bei der Beschäftigung mit diesem Spezialthema mehr als nur eine schlaflose Nacht.

Und schauen wir mal für mehrere Jahre auf die Kursentwicklung, dann ist auch da keinerlei Logik zu erkennen. Ende 2018 waren die Börsenkurse im Verhältnis zu den Rücknahmewerten an einem Punkt, wo sich bis zum Ende der Abwicklung (wann auch immer das sein würde) Wertaufholungspotentiale z.B. beim CS Euroreal von 19 % und beim KanAm grundinvest von 15 % errechneten. Im Jahr 2019, vor allem aber 2020 regnete es dann, auf gut deutsch gesagt, bei den Börsenkursen abwickelnder Fonds fast nur noch Scheiße: Statt 19 % eröffnete die miese Kursentwicklung beim CS Euroreal plötzlich ein Wertaufholungspotential von über 40 %, und beim KanAm grundinvest wurden aus 15 % Potential nun 35 %. Erst in 2021 endete dieser nervenzehrende Sinkflug und die Kurse stabilisierten sich.

Wir sahen das mit einem lachenden und einem weinenden Auge: So lange es uns gelang, den Laden unter Beachtung der Beleihungsgrenzen unserer Banken vernünftig zu steuern, war eine temporäre Schwäche für unsere Bestände auf Endsicht ganz unbeachtlich. Doch unsere Re-Investitionen erwischten in dieser Phase deutlich günstigere Kurse. Unter dem Strich also genau das, was schon oben beschrieben wurde: Blanker Horror, solange die Kurse südwärts gingen, aber heute reiben wir uns die Hände. Noch bis vor wenigen Wochen konnten wir uns mit ein paar Millionen Euro beim CS Euroreal ein Wertaufholungspotential von über 40 % und beim KanAm grundinvest von immer noch mehr als 30 % einkaufen.

Der neuerliche „gamechanger“ war dann in 2022 das Ausschüttungsverhalten dieser beiden Schwergewichte: Erst überraschte der CS Euroreal im Juni 2022 mit der Ankündigung, pro Anteil 0,42 EUR auszuschütten. Zum Vergleich: In den letzten beiden Jahren hatten die Spitzbuben ihre Sommerausschüttung einmal komplett und einmal fast ganz ausfallen lassen. Dann kündigte der KanAm grundinvest, der schon im Februar mit üppigen 1,31 EUR/Anteil positiv überrascht hatte, für heute weitere 0,61 EUR/Anteil an.

Fortan wurden die Anteile dieser beiden Fonds an der Börse gekauft als ob es kein morgen mehr gäbe. In das Jahr gestartet war der KanAm grundinvest mit einem Kurs von 4,05 EUR bei einem Rücknahmewert von 5,27 EUR – Wertaufholungspotential also 1,22 EUR/Anteil.

Heute beträgt der Rücknahmewert nach Ausschüttungsabschlag noch 3,40 EUR. Ausweislich der Briefseiten möchten potentielle Verkäufer jetzt aber 2,95 EUR haben – und heute vormittag wurde das sogar hin und wieder bezahlt. Von uns aber nicht mehr, denn auf der Basis wären wir mit nur noch 0,45 EUR = rd. 15 % Wertaufholungspotential schließlich wieder da angekommen wo die Achterbahnfahrt Ende 2018 einst begann.

Als Fazit nach alldem bleibt schließlich: Der Mensch hat ein ausgesprochen kurzes Gedächtnis. Der Verfasser dieser Zeilen ist da keine Ausnahme. Heute findet er Kurse, die ein Wertaufholungspotential von (nur noch) 15 % implizieren, ein bißchen gaga. Aber Ende 2018 fand er das noch ganz normal …

Die Achterbahnfahrt geht weiter. Bleiben Sie angeschnallt sitzen.

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