Ein fettes Schwein mit Speck einreiben

Das pflegt einer der besten Freunde des Verfassers dieser Zeilen zu sagen, wenn besagter Verfasser mit irgendwas mal wieder besonders viel Glück gehabt hatte. Warum besagter Verfasser überhaupt ein schlechtes Gewissen bekam bezüglich der Frage, wie viel Glück man im Leben denn so haben darf, das wird sich der geneigten Leserschaft in wenigen Sekunden erschließen.

Die US-amerikanische Küche hat ja, man will es mal so sagen, eigene Vorstellungen von Kulinarik und gesunder Ernährung. Aber zum Frühstück ein paar Eier mit ordentlich knusprigem Speck (wie kriegen die das nur immer so hin mit dem Speck, für die beste Ehefrau von allen wäre es ein unschätzbar wertvoller Ratschlag …) und eines dieser undefinierbaren Bratwürstchen mit pappmaschee-ähnlichem Inhalt: Das muß einfach sein. Passiert ja nur alle Jubeljahre einmal.

Gerade erst an der zweiten Speckscheibe herumsäbelnd und ganz in den Frühstücksteller vertieft, und urplötzlich taucht der Kellner neben einem auf und lässt sich wie folgt vernehmen: „Hot Sauce, or Ketchup, Sir?“ – Erst vor wenigen Stunden auf dem Flug nach Chicago hatte der Frühstücksgast weitere fast 200 Seiten im 361-Seiten-Bestseller „Besser essen – einfach fasten – länger leben“ geschafft. Spontan möchte er also den Kellner anherrschen: „Ey, hast Du noch alle Latten am Zaun, Bruder? Ketchup? Weisst Du denn nicht welche Unmenge total ungesunder Zucker in dieser Pampe ist?“

Nur ungern gibt es der Verfasser dieser Zeilen überhaupt zu: Wie der eine oder andere ältere Herr in seinem derzeitigen Gastland auch neigt er zu Sexismus und Pöbeleien. Vor allem im Straßenverkehr, wo man beides hervorragend miteinander kombinieren kann. Wie oft kam ihm nicht schon lautstark die Frage über die Lippen, wie wir nur jemals so bescheuert sein konnten, Frauen das Autofahren zu erlauben. Regelmäßig erscheint die Antwort in Gestalt der besten Ehefrau von allen, die den Verfasser dieser Zeilen trotz voller Kenntnis all seiner Unzulänglichkeiten bisher stets unfallfrei nach Hause chauffierte, wenn er mit Freunden mal wieder etwas tief in’s Glas geschaut hatte – was ganz gelegentlich vorkommt.

Doch zurück zu unserem Frühstücks-Kellner. Am Ende ist man ja doch zivilisierter Europäer, und antwortet auf die höfliche Frage, ob der Gast Ketchup wünsche, ebenso höflich: „Sehr aufmerksam, aber nein Danke.“

Kaum hatte sich der Kellner entfernt und der Verfasser dieser Zeilen konnte wieder ungestört an seinen erstaunlicher Weise immer noch knusprigen Speckscheiben herumsäbeln, begann er darüber nachzudenken, warum ihm eigentlich nicht schon seine Eltern beigebracht hatten, wie man sich vernünftig ernährt. Dann müsste er heute ja überhaupt keine Ernährungs-Bestseller lesen, um den Kampf gegen die 100-kg-Marke nicht zu verlieren.

Dieses Nachdenken wurde urplötzlich ungemütlich. Im Kopf erschienen die Bilder der eingemummten traurigen Gestalten, die letzte Nacht bei Temparaturen um den Gefrierpunkt auf dem Busbahnhof reihenweise einfach nur auf dem Gehsteig gelegen hatten. Nun tat es dem Verfasser dieser Zeilen unendlich leid, daß er im Zusammenhang mit seinen Eltern über vernünftige Ernährung sinniert hatte. Was für ein Unsinn. Wenige Jahre nach dem Krieg stellte sich nicht die Frage, was man vernünftiger Weise essen sollte, sondern wo man überhaupt genug zu essen herbekam. Auch dazu hatte das Ernährungsbuch die passende Antwort: Kurz nach dem 2. Weltkrieg waren Bluthochdruck und Diabetes in Deutschland praktisch unbekannt.

„Hot Sauce, or Ketchup, Sir?“ – Am nächsten Morgen kam die Frage von einer drallen Blondine. Der Verfasser dieser Zeilen dankte höflich. Und beschloß, mit seinem Leben glücklich und zufrieden zu sein und machte sich an die Arbeit.

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