Heulen und Zähneklappern

Es ist unglaublich, was uns der winzig kleine, durch die heutige Ausschüttung auf 18,3 Mio. EUR Vermögen geschrumpfte AXA Immoselect immer noch für einen Gesprächsstoff liefert. Heute hecheln wir ihn diesen Monat nun schon zum dritten Mal durch …

Der Grund heute: Der Kurs. Zugegebener Maßen ist es natürlich verwirrend, daß der offizielle Rücknahmepreis immer noch mit 0,64 EUR angezeigt wird. Obwohl er durch die heutige Ausschüttung ja auf 0,38 EUR gesunken ist, aber so schnell ist der Computer halt nicht. Jedenfalls, ob das nun der Grund war oder noch etwas anderes wird noch zu erörtern sein, jedenfalls fand heute in München um 10:32:00 Uhr ein Umsatz von 5.000 Stück zum Kurs von 0,385 EUR statt. Und damit haben wir die überaus denkwürdige und in den letzten 10 Jahren zum überhaupt ersten Mal vorgekommene Situation, daß der Börsenkurs eines abwickelnden Immobilienfonds oberhalb des Nettoinventarwertes zu liegen kam.

Warum? Weil sich da jemand durch den überholten und somit falsch angezeigten Rücknahmewert hinter’s Licht führen ließ? Das glauben wir eigentlich nicht, wenn wir uns die Kursstellungen beim AXA Immoselect an allen Börsenplätzen insgesamt so anschauen. Vielleicht muß hier jemand kaufen …

Damit wird die Sache jetzt sehr grundsätzlich. Tatsache ist, daß die Kursstellungen an den Börsen längst nicht mehr von Menschen gemacht werden. Wie sollte das auch noch gehen, wenn ein einzelner Börsenhändler doch heutzutage inzwischen tausende von Skontren zu führen hat? Nein, die Stellung von Geld- und Brief-Kursen haben längst irgendwelche Algorithmen übernommen. Womit wir auch schon wieder beim Thema „Künstliche Intelligenz“ wären, diesem unsäglich überschätzten Schwachsinns-Thema der Neuzeit.

Sagen wir jetzt mal so: Wenn ein Händler etwas short geht, dann nur, weil er glaubt, daß das funktionieren könnte. Wenn ein Algorithmus etwas short geht, dann nur, weil er so programmiert wurde. Ob es aber funktionieren wird, das kann kein Algorithmus dieser Welt beurteilen. Und es ist ihm auch keine wirkliche Drohung, daß man ihn nach einer Reihe von Fehlleistungen verschrotten könnte.

Jedenfalls stellten wir jetzt fest, daß wir im AXA Immoselect bestimmte Wertpapierüberträge nicht vornehmen können. Weil nämlich Käufe aus dem Februar bis heute nicht beliefert sind. Und gemeinhin ist es ja so, daß man Wertpapiere immer dann nicht liefert, wenn man sie gar nicht hat. Cum/ex lässt grüssen. Uns beschleicht also der Verdacht, daß uns da der Computer, sagen wir mal nur so als Beispiel der Börse Düsseldorf, im Februar AXA-Immoselect-Anteile verkauft hat, die er gar nicht hatte. Man würde der Maschine jetzt Unrecht tun, wenn man sie als saudumm bezeichnete. Sie war einfach nur falsch programmiert. Niemand hat dem bemitleidenswerten Blechgehirn gesagt, daß AXA-Immoselect-Anteile inzwischen so wahnsinnig markteng geworden sind, daß man sie besser nicht short gehen sollte.

Ein gutes hat die Sache ja auch, daß so ein Blechgehirn völlig emotionsfrei ist: Unsereins würde sich schwarz ärgern, wenn er AXA-Immoselect-Anteile zu Preisen oberhalb des Nettoinventarwertes eindecken müsste. Dem Computer geht das völlig am Arsch vorbei, der macht es einfach.

Und so hat es der winzig kleine AXA Immoselect heute tatsächlich mal wieder geschafft, daß die weltbewegende Frage im Raum steht: Wäre es nicht höchste Zeit, daß die Politik unserem pervertierten Finanzsystem die Axt an die Wurzel legt und es radikal auf das volkswirtschaftlich notwendige Normalmaß zurückstutzt? Wäre es nicht höchste Zeit, die Deregulierung der Finanzmärkte als Teufels Werk zu verdammen und in die gute alte Zeit vor Mrs. Thatchers „Big Bang“ am 27.10.1986 zurückzukehren? Wo an den Finanzmärkten jede Form von Spielzeug verboten war, das die Aufsicht nicht ausdrücklich genehmigt hatte? Wo jeder wußte, daß Finanzmärkte nur das Getriebe einer Wirtschaft sind, aber nicht der Motor?

Es sei dem nicht so geschichtsbewußten Leser gerne noch einmal in’s Gedächtnis gerufen, daß man ab 1929/1932 als eine der Lehren aus der im „Black Friday“ kulminierenden Krise jede Form von Börsentermingeschäften mit Aktien und Leerverkäufe verboten hatte, und zwar in allen großen Industrienationen. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang hat dieses Verbot die Welt vor außer Rand und Band geratenden Finanzmärkten beschützt. Doch dann kam (möge sie bei angenehmer Grilltemparatur in der Hölle schmoren) die unselige Mrs. Thatcher mit ihrem „Big Bang“, der den Finanzmarkt London und nach ihm alle weiteren Finanzmärkte der Welt zu Monstern werden ließ. Viele wissen es heute halt auch gar nicht mehr besser. Aber wenn wir glauben, uns Heerscharen volkswirtschaftlich vollkommen unproduktiver Egoisten in einem Boni-getriebenen gigantischen Spielcasino bis in alle Ewigkeit weiter leisten zu dürfen, dann wird in der nächsten Krise Heulen und Zähneklappern herrschen wie es die Welt noch nicht erlebt hat.

Dem Verfasser dieser Zeilen ist übrigens wohl bewußt, daß auch seine Tätigkeit keinerlei volkswirtschaftlichen Mehrwert erzeugt, sondern lediglich dazu dient, den Aktionären der CS Realwerte AG auf Kosten vom Rest der Welt ein bißchen mehr Wohlstand zu verschaffen. Aber es zeugt halt von ganz besonderer Kompetenz, wenn ein Zuhälter das Rotlichtmilieu kritisiert.

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