Ich weiß ja nicht wie Sie darüber denken …
Einen gewissen Christian Seifert wird bisher kaum einer unserer verehrten Leser gekannt haben. Das ist der mit einem Millionen-Gehalt honorierte Geschäftsführer der Deutsche Fußball Liga GmbH, also der Chef eines Wirtschaftsunternehmens. Der da neulich an die Öffentlichkeit trat und ganz unverfroren verlangte, daß die Regierung für seine wirtschaftlichen Interessen doch bitte eine Extrawurst braten soll. Sonst gäbe es die Bundesliga in ihrer jetzigen Form künftig nicht mehr.
Zu letzterem vorweg schon mal angemerkt: Na und? Wer braucht denn die Bundesliga in ihrer jetzigen Form überhaupt? Millionengehälter, Transfersummen im dreistelligen Millionenbereich, ständig absurdere Bietgefechte zwischen öffentlichen und privaten Sendern um Übertragungsrechte? Glaubt der Herr Seifert denn allen ernstes, irgendein verständig denkender Mensch hegte für dieses inzwischen vollkommen pervertierte System – das sehr viel mehr Ähnlichkeit mit der antiken Volksbelustigung durch Gladiatoren-Kämpfe hat als mit Sport – auch nur einen Rest von Sympathie?
Aber der Verfasser dieser Zeilen will nicht polemisieren, sondern sich wie immer an die Fakten halten. Es geht um 36 Profi-Klubs, das sind also 18 Spiele, bei denen sich jeweils etwa 200 vorher zu testende Leute im Stadion aufhalten. Es geht also um 18 x 200 = 3.600 People. Dafür sollen, und man traut seinen Ohren nicht, wenn der Herr Seifert sagt „nur“, dafür sollen „nur“ 0,4 % der in Deutschland vorhandenen Testkapazität abgezweigt werden.
Jetzt stellen wir uns mal ganz dumm und fragen: Wenn mit 0,4 % 3.600 Menschen versorgt sind, für wie viele reichen dann 100 %? Genau: Wenn auch andere egoistische Partikularinteressen in der Gesellschaft die knappen Ressourcen mit der gleichen Unverfrorenheit plündern wollten wie es die Deutsche Fußball Liga GmbH plant, dann wäre bei 900.000 Menschen Schluß. Und die restlichen 79.100.000 Menschen in diesem Land? Die scheinen einen Herrn Seifert nicht zu interessieren, der hier ganz unverhohlen verlangt, die rein ökonomischen Interessen seines völlig abgehobenen, aber in keiner Weise systemrelevanten Millionenzirkus‘ über das Wohl der Bevölkerung zu stellen.
Ich weiß ja nicht, wie Sie darüber denken, verehrter Leser. Ich jedenfalls denke, daß der Herr Seifert (der sich bislang natürlich auch immer beharrlich geweigert hat, die Höhe seines eigenen Gehaltes offenzulegen) nicht mehr alle Latten am Zaun hat. Wobei man zu seiner Ehrenrettung sagen muß: Wenn man ihn auf der Pressekonferenz beobachtet hat, und wenn man ein bißchen was von Körpersprache versteht, dann war klar zu erkennen, was seine Mimik ausdrückte: Die sagte „Ich glaube ja selber nicht an den Schwachsinn, den ich hier von mir gebe. Aber ich werde halt dafür bezahlt, daß ich es tue.“
Man kann also nur hoffen, daß sich die Regierung von der Geldmaschine „Profifußball“ nicht einwickeln lässt. Eine die ohnehin knappen Ressourcen plündernde Sonderregelung zum Schutz der rein ökonomischen Interessen eines bestimmten Wirtschaftszweiges ist durch nichts zu begründen. Oder warum soll ein Spiel von Eintracht Frankfurt größere gesellschaftliche Bedeutung haben als ein Konzert in der Frankfurter Oper, das natürlich auch weiterhin nicht stattfinden wird?
Die Regierung sei gewarnt: Wer für den Profifußball eine Sonderregelung schafft, der riskiert, daß in großen Teilen der Bevölkerung die Akzeptanz für die gegenwärtigen heftigen Einschränkungen verloren geht. Denn jedes gesellschaftliche Partikularinteresse hat am Ende gute Argumente, warum die Einschränkungen zwar für alle anderen gelten müssen, aber nicht für einen selbst.
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