Kann eine Bank wirklich so dämlich sein?
Guten Tag Frau Höllinger!
Wahrscheinlich werden Sie diesen Brief nie lesen, aber ich musste es mir einfach mal von der Seele schreiben. (Für den geneigten Leser der Marion Höllinger nicht kennt: sie ist Sprecherin der Geschäftsführung der UniCredit Bank GmbH, gelegentlich auch noch als HypoVereinsbank auftretend.)
In den 1990er Jahren wechselte Reinhard Honig von der Deutschen Bank in Braunschweig zur damaligen Vereins- und Westbank. Obwohl er wusste dass hier kein Blumenpott zu gewinnen war, schließlich war die Deutsche Bank schon seit Jahren meine Hausbank, hielt er die ganze Zeit weiter Kontakt zu mir. Seine Mühe sollte am Ende belohnt werden: Eines Tages hatte ich mich fürchterlich über die Deutsche Bank geärgert. Also griff ich 2001 zum Hörer, rief den Herrn Honig an und sagte: Wenn Sie es bis morgen schaffen die Deutsche Bank mit 1,5 Mio. Euro abzulösen, dann sind wir im Geschäft. Punkt 9 Uhr am nächsten Tag rief mich Reinhard Honig an: Wir haben gerade schon zusammengesessen. Wir machen das.
In den Folgejahren waren die Vereins- und Westbank (deren Vorstand mich wegen seines Interesses an Historischen Wertpapieren sogar ab und zu persönlich empfing) und ich gute Freunde, später (als die Vereins- und Westbank in der HypoVereinsbank aufgegangen war) gelegentlich auch mal nicht mehr so gute Freunde.
2014 entwickelten wir die Geschäftsidee mit der CS Realwerte AG. Der Zufall wollte es, daß genau da der neue Firmenkundenchef Niedersachsen der HypoVereinsbank bei uns seinen Antrittsbesuch ankündigte. Für unser neues Geschäft mit abwickelnden Offenen Immobilienfonds wollten wir 1 Mio. Euro Eigenkapital mit 2 Mio. Euro Bankkredit ergänzen. Dieses Projekt stellten wir der Bank beim Antrittsbesuch vor, und siehe da: Die HypoVereinsbank machte es. Es lief phänomenal gut, und aus den ursprünglich angedachten 3 Mio. Euro Geschäftsvolumen machten wir später in der Spitze fast 34 Mio. Viele Jahre blieb die HypoVereinsbank dabei unser größter Kreditgeber, und für die anfängliche Starthilfe und spätere tatkräftige Unterstützung (bei der sich die handelnden Personen wenn nötig nicht scheuten, für uns bankinterne Eskalationsverfahren durchzufechten) sind wir der Bank bis heute ausgesprochen dankbar. Doch leider änderte sich das über die Zeit.
Die Kundenbetreuer wechselten, mit nicht weniger als sechs durften wir uns im Laufe von gut 10 Jahren immer wieder neu arrangieren. Als der vorvorletzte Ende 2022 die Bank verließ (und natürlich wie üblich bald freigestellt wurde) musste der Übergang scheinbar etwas improvisiert werden. Sein Nachfolger machte mir jedenfalls schon im ersten Telefonat deutlich, dass es nicht gerade sein Herzenswunsch gewesen war, mich jetzt auch noch an der Backe zu haben. Allzu lange hatten wir auch nicht miteinander zu tun: Es zog ihn zu Höherem, nämlich nur noch Kunden ab 10 Mio. Euro. So kriegte die CS Realwerte AG im Juli 2024 den inzwischen fünften Betreuer. Gelegenheit ihn persönlich kennenzulernen hatte ich in den letzten vier Monaten nicht, und werde es wohl auch nicht mehr, denn auch er ist schon wieder Geschichte.
Letzte Woche bekam ich Post von der HypoVereinsbank. „Der rasante Fortschritt bei digitalen Lösungen bietet Ihrem Unternehmen und uns viele Möglichkeiten, Angebote zu verbessern und Prozesse zu vereinfachen. Das nutzen wir und haben ein neues Banking entwickelt. … Im Corporate Portal ist die digitale Zukunft nur wenige Klicks entfernt.“ Was auf gut deutsch ja nichts anderes heißt als daß der Kostenfaktor Mensch aus der Kundenbeziehung so gut wie möglich rausrationalisiert werden soll. Statt dessen, erzählen mir die Marketinggenies der UniCredit, kümmert sich zukünftig ein digitaler Sprachassistent um mich. Falls der ewiggestrige Hillbilly vom Rübenfeld tatsächlich noch mal auf die dumme Idee kommen sollte, das tolle neue Corporate Portal zu ignorieren und den Hörer in die Hand zu nehmen.
Die Bank gab sich dabei auch gar keine Mühe mehr, wenigstens noch eine Illusion von Individualität zu erwecken. Die überformatige Massendrucksache erweckte mit markigen bunten Werbetexten auf der Rückseite eher den Eindruck wie ihn sonst Post vom Möbelhaus macht. Meine neue Kundenbetreuerin wurde mir auch gar nicht ausdrücklich vorgestellt. Daß hier schon wieder eine Neue kommt konnte ich eigentlich nur aus der im Text angegebenen email-Adresse schließen. Irgendwie tut sie mir leid, denn sie kann sicher am wenigsten dafür, daß man das gesammelte ungeliebte Treibgut ihrer Vorgänger mal wieder an ein gefundenes Opfer durchgereicht hatte.
Liebe Frau Höllinger, ich weiß nicht welche tollen Berater Sie auf diese grandiose Idee gebracht haben (und wie teuer die genialen Vorschläge waren), aber lassen Sie es sich von einem Urgestein von Kunden gesagt sein: Ein Kunde mit immer noch gut siebenstelligem Geschäftsvolumen goutiert einen digitalen Sprachassistenten nicht. Er legt Wert auf Kontinuität und Kontakt auf Augenhöhe, hat gewisse Ansprüche und möchte auf ganz bestimmt gar keinen Fall von seiner Bank mit einer Blechkiste abgespeist werden. Gut, wenn Sie unter Digitalisierung die Rückbildung persönlicher Kontakte möglichst gegen Null verstehen, und genau das sagt Ihr Möbelhaus-Werbebrief im Kern, dann sparen Sie sicher – was offenkundig Ihre Absicht ist – jede Menge Kosten. Aber Sie entfernen damit auch aus jeder Kundenbeziehung die Seele. Kann eine Bank wirklich so dämlich sein?
Der Verfasser dieser Zeilen kennt das Bankgeschäft seit über 50 Jahren, erst von der einen und später von der anderen Seite. Versuche, Kundenbeziehungen zu standardisieren oder zu automatisieren hat er in diesem halben Jahrhundert haufenweise gesehen. Schon im Internet-Hype nach der Jahrtausendwende kam die ein oder andere Bank auf solch grandiose Ideen, nur um einige Zeit später festzustellen daß automatisierte Kommunikation ausgerechnet bei den für die Bank interessanten Kunden mit ihren nun mal etwas höheren Ansprüchen nicht funktioniert. Damals hatte ich noch häufig in London zu tun und erinnere mich wie heute an die überdimensionalen Plakate der Barclays Bank in den Londoner U-Bahn-Stationen, die vollmundig die Rolle rückwärts verkündeten zu einer Praxis, die vorher doch jahrzehntelang selbstverständlich gewesen war: „Brandnew! Bei Barclays können Sie Ihren Kundenberater in Ihrer Filiale direkt auf seiner Durchwahl anrufen!“
Was Sie hier angezettelt haben war nicht wirklich durchdacht, und die Mühe, das ganze mal aus den Augen eines Kunden zu betrachten, hat sich offenkundig auch niemand gemacht. Lassen Sie es sich von einem gutmeinenden alten Hasen gesagt sein, geschätzte Frau Höllinger: Dieser Schuß wird mit ziemlicher Sicherheit nach hinten losgehen. Die ganze Sache wird auch nicht besser dadurch, daß mich mein letzter Kundenberater gestern anrief, um mir mitzuteilen, nach nur vier Monaten werde ich schon wieder eine neue Betreuerin bekommen.
„Ich weiß“, sagte ich ihm, „das hat mir die Bank ja schon am 28.10. geschrieben.“ Pause. „Ach so? Na das ist ja blöd. Der Brief sollte doch erst am 11.11. rausgehen. Alle Kunden persönlich wegen der Überleitung anzusprechen, dafür haben wir nämlich kaum noch die Zeit.“
Also, geschätzte Frau Höllinger: Selbst einem Kunden der deutlich weniger im Depot hat als die 5 Mio. Kurswert die es bei mir bis heute noch waren sagt man nach 23 Jahren mit allen Höhen und Tiefen nicht einfach in’s Gesicht daß er eigentlich nur noch stört. Irgendwann werden Sie aber wohl auch selbst merken daß das, was Sie hier als vermeintlichen Fortschritt propagieren, ein ziemlicher Griff in’s Klo geworden ist. Da bin ich jetzt schon sehr gespannt auf Ihre Kampagne in wenigen Jahren, in der Sie der staunenden Kundschaft das Neueste vom Neuen verkünden werden: „Ganz neu! Bei der HypoVereinsbank können Sie Ihren Kundenberater direkt auf seiner Durchwahl anrufen!“
Es verabschiedet sich mit trotzdem guten Wünschen für die Bank und ihre Mitarbeiter
Ihr Kunde
Jörg Benecke
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