Kaufen, wenn die Kanonen donnern?

Das Zitat wird einem Rothschild zugeschrieben. Er hat ja recht. „Buy low“ findet nicht dann statt, wenn sich alle gerade friedlich auf dem Ponyhof wähnen. So kann man das auch mit dem KanAm grundinvest sehen. Der im Fonds enthaltene Bargeldbestand liegt bei 14,22 EUR pro Anteil. Die vier Restimmobilien (auf Basis Verkehrswerte nochmal 2,30 EUR pro Anteil) gibt es da ohnehin gratis obendrauf. Es macht jedenfalls keinerlei Sinn, diesen Fonds jetzt zu Kursen um 13,30 noch zu verkaufen – im Gegenteil wären auf der Basis eher schon Käufe überlegenswert.

Mag die Verärgerung über die ungerechtfertigt hohen Liquiditätseinbehalte und die im jüngsten Abwicklungsbericht offenkundig gewordene eher geschmacklose Selbstbedienung von Fondsmanagement und Depotbank auch noch so groß sein: Was wir in unserem gestrigen Beitrag zu dem Thema kritisiert haben, ist Vergangenheit und im Anteilscheinpreis längst verarbeitet. Es sollte jedenfalls kein Anlaß sein, nachträglich den Kurs zusammenzuprügeln.

Trotzdem müssen wir heute noch einmal etwas mehr in ein spezielles Detail gehen, und das ist die offizielle Begründung, warum die hohen Liquiditätseinbehalte angeblich notwendig und unabdingbar sind.

Im Abwicklungsbericht des KanAm grundinvest heißt es dazu auf Seite 12: „Zur Sicherstellung der langfristigen Zahlungsfähigkeit und zum Schutz des KanAm grundinvest Fonds vor einer Zahlungsunfähigkeit wurde eine Risiko-Policy entwickelt, um die notwendigen Liquiditätseinbehalte so präzise wie möglich zu erfassen.“

Das klingt auf den ersten Blick wirklich seriös und fürsorglich. Wahrscheinlich hat das auch die BAFin den Fondsmanagern ohne weiteres Nachdenken abgekauft. Wer will schon die Insolvenz eines Fonds? Bei verständiger Würdigung der Fakten entpuppt es sich aber auch nur als gemeine Nebelkerze, mit der den Anlegern besondere Fürsorge vorgegaukelt werden soll – obwohl es in Wahrheit nur ganz egoistisch um den Selbstschutz der Fondsmanager zum Schaden und auf Kosten ihrer Anleger geht.

Dazu muß man wissen: Ein Fonds ist ein Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Geht er pleite, weil er zu früh oder zu viel Liquidität an die Anteilscheininhaber ausgeschüttet hat, dann kann uns Anlegern das vollkommen egal sein. Von den Anlegern könnte in diesem Fall nämlich niemand auch nur einen Pfennig zurückfordern.

„Dran“ wären in dem Fall die Kapitalverwaltungsgesellschaften. Und die sind, jedenfalls in Relation zur Höhe der von Ihnen verwalteten Vermögenswerte, kapitalmäßig sehr schwach auf der Brust. So hat zum Beispiel die KanAm grund Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH (vor allem KanAm grundinvest) ein Eigenkapital von 30,6 Mio. EUR. Die Credit Suisse Asset Management Immobilien Kapitalanlagegesellschaft mbH (vor allem CS Euroreal) bringt es sogar nur auf 8,1 Mio. EUR und wird damit de facto sogar noch von der popligen, auf dem Rübenfeld in Wolfenbüttel beheimateten CS Realwerte AG deklassiert. Träte hier aus früheren Fonds-Ereignissen tatsächlich ein Haftungsfall ein, käme man angesichts früherer Milliarden-Immobilienvermögen mit dem bisschen Eigenkapital nicht mal um die nächste Straßenecke.

Die KanAm grund Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH bringt das in ihrem im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschluß 2016 im Risikobericht auch ganz unverblümt auf den Punkt: „Risiken bestehen aufgrund von möglicher Weise schlagend werdende liquiditätswirksamen Risiken im KanAm grundinvest Fonds nach Übergang auf die Depotbank. Folge einer hierdurch verursachten Insolvenz des Sondervermögens wäre, aufgrund der Höhe der potenziellen Ansprüche und einer möglichen subsidiären Haftung der Kapitalverwaltungsgesellschaft, auch die Insolvenz der Gesellschaft. Zur Steuerung des Risikos wurde das vorhandene Risikomanagementsystem weiterentwickelt. Dieses sieht vor, dass die Liquidität des Sondervermögens erst nach Wegfall der betreffenden Risiken zur Ausschüttung an die Anleger vorgesehen wird.“ Böse Kommentatoren würden jetzt wohl sagen: Also am Sankt-Nimmerleins-Tag.

Den Fondsmanagern geht es ganz bestimmt nicht um das Wohl ihrer Anleger – die sind ihnen im Zweifel herzlich egal. Was den Fondsmanagern in Wirklichkeit schlaflose Nächte bereitet, ist das Gespenst „Durchgriffshaftung“. Geht nämlich die Kapitalverwaltungsgesellschaft pleite, könnte es ja sein, dass irgendwer die Herren Geschäftsführer in Regreß nimmt. Und denen fehlt das nötige Polster, denn von einem Jahresgehalt von lediglich einer Dreiviertel Million Euro pro Nase kann man ein solches ja unmöglich aufbauen.

Nur deshalb wurde beim KanAm grundinvest aus mehr als 1 Mrd. EUR zurückgehaltener Liquidität eine Panzerplatte geschmiedet, die schlussendlich nur eines schützt: Den Lebensstandard der Geschäftsführer.

Dass wir Anleger mit unserem Geld diese Panzerplatte zur Verfügung halten, bekommen wir aber nicht etwa honoriert. Nein, ganz im Gegenteil. Dafür dass wir die Geschäftsführer und die Geschäftsinhaber der Depotbank vor einer nur theoretisch denkbaren Durchgriffshaftung abschirmen, zahlen wir ihnen für unser allein zu ihrem Schutz zurückgehaltenes Geld auch noch eine Verwaltungsgebühr von 1,2 % p.a. und an die Depotbank außerdem noch ein „Verwahrentgelt“.

Das ist so, als ob Sie eine Haftpflichtversicherung abschließen, und anschließend trägt die Versicherung nicht nur das Risiko, sondern überweist Ihnen jedes Jahr aus Dankbarkeit für den Vertragsabschluß auch noch die Prämie. Im wirklichen Leben ist es leider umgekehrt. Nur bei den abwickelnden Immobilienfonds funktioniert diese verkehrte Welt tatsächlich. Ob es die BAFin eines Tages doch noch mitkriegt, wie hier die Anleger der abwickelnden Offenen Immobilienfonds über den Tisch gezogen werden?

Sucht man nach einem Motiv für die übertrieben hohen Liquiditätsrückbehalte, dann wird man in den im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüssen beider Gesellschaften fündig. Die Lektüre wäre auch der BAFin dringend anzuraten.

Die KanAm grund Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH erzielte im Geschäftsjahr 2016 Provisionserträge von 59,2 Mio. EUR, davon stammen deutlich mehr als 80 % aus dem KanAm grundinvest, und davon wiederum sind fast 60 % Provisionen, die aus Immobilienverkäufen generiert wurden.

Die Credit Suisse Asset Management Immobilien Kapitalanlagegesellschaft mbH erzielte im Geschäftsjahr 2016 Provisionserträge von 36,2 Mio. EUR, von denen 29,5 Mio. EUR = 81,5 % aus dem CS Euroreal stammten, davon wiederum waren rund ein Drittel transaktionsabhängig.

Bei beiden Gesellschaften sind also unsere Fonds praktisch die einzige Muttersau, bei der die Ferkel noch säugen können. Und die Zitze mit der fetten Milch der transaktionsabhängigen Provisionen ist bei KanAm grund schon ausgetrocknet, bei Credit Suisse wird das in Bälde auch der Fall sein.

Es bleibt dann nur noch eine einzige Zitze, die Milch gibt: Die Berechnung von Verwaltungsgebühren auf in den Fonds zurückgehaltene Liquidität. Für beide Kapitalverwaltungsgesellschaften ist diese Einnahmequelle künftig so ziemlich das einzige, was ihr Überleben sichert. Ohne diese Einnahmequelle wären sie theoretisch pleite. Auch das geben sie in ihren veröffentlichten Jahresabschlüssen mehr oder weniger freimütig zu.

Vor diesem Hintergrund ist es rein menschlich gesehen ja sogar verständlich, daß die Kapitalverwaltungsgesellschaften sich an das Geld ihrer Anleger so viel und so lange wie nur möglich klammern und an sich darstellbare Auszahlungen so weit wie nur irgendwie möglich verhindern oder mindestens verzögern.

Auch wenn Investmentfonds-Anleger nach den derzeit geltenden Bestimmungen des Investment-Gesetzes der Willkür eines Fondsmanagements völlig schutzlos ausgeliefert sind, und auch wenn sich Kapitalverwaltungsgesellschaften ihren Anlegern gegenüber nach geltender Rechtslage selbst für noch so absurde und nicht nachvollziehbare Aktionen noch nicht einmal rechtfertigen müssen: Das kann in dieser Angelegenheit nicht das letzte Wort gewesen sein.

Es ist schon zu hoffen, daß die zuständigen Behörden irgendwann doch auf diese Unregelmäßigkeiten und die mit System betriebene Ausplünderung der Fondsvermögen aufmerksam werden und dann entsprechend handeln.

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