Lieber ungenau richtig
Vor langer, langer Zeit (genauer gesagt vor vier Jahrzehnten) hatte der Verfasser dieser Zeilen mal das Vergnügen, als Leiter der Finanzabteilung eines großen Maschinen- und Anlagenbauers zu figurieren. Also, in so einem Anlagenbauunternehmen mit über 90 % Exportquote und entsprechend viel reisendem Personal kursierten immer eine Menge Sprüche. Zugegeben, durchaus auch sexistische, aber das störte Ende der 1970er Jahre noch niemanden und niemandin, nicht einmal meine blaustrümpfige Sekretärin.
Da hatten wir auch den Fall, daß unser Reisender in Thailand in seiner Reisekostenabrechnung in schöner Regelmäßigkeit einen Betrag mit der Bezeichnung „Säbel schleifen“ aufführte. Lange Jahre kam niemand auf die Idee, diese Position zu hinterfragen. Bis eines Tages … na ja, ich überlasse das Ergebnis der Phantasie der geneigten Leserschaft.
Also, das war schon eine ziemlich bunte Zeit, aber auch mit die schönste meines Lebens, wegen der vielen Reisen in Länder, die westlichen Besuchern zu der Zeit sonst noch weitgehend verschlossen waren. Und weil wir also eine ziemlich lustige und auch noch sehr junge Truppe waren (deren damals jüngstes Mitglied heute übrigens Aufsichtsratsvorsitzender der CS Realwerte AG ist), waren wir immer zu Spässen aufgelegt. Im Flur meiner Abteilung hatten wir eine Plakatwand gemacht, wo wir die Sprüche hinhängten, die uns am besten gefielen.
Wie gesagt, das ist mehr als vier Jahrzehnte her, aber in den letzten Tagen des Pandemie-Geschehens erschien die Plakatwand dem Verfasser dieser Zeilen plötzlich wieder vor seinem geistigen Auge als sei es erst gestern gewesen:
„Wir sind zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen.“ (Geht Ihnen da spontan der Name Ursula von der Leyen durch den Kopf?)
„Jeder macht was er will. Keiner macht was er soll. Aber das schöne ist: Alle machen mit.“ (Der geht an die Ministerpräsidentenkonferenz.)
„Wo wir sind ist vorne. Wenn wir hinten sind ist hinten vorne.“ (Da darf sich Gesundheitsminister Spahn ganz direkt angesprochen fühlen.)
Merkwürdig. Manche Dinge scheinen sich auch in fast einem halben Jahrhundert gar nicht groß geändert zu haben. Und wenn man sich das Drama mit der Impfkampagne so anschaut, dann wünschte man sich schon, daß genau dieser schöne Spruch mehr Beachtung fände: Der, obwohl ich ihn ausgerechnet von meinem ärgsten Widersacher in einem erbitterten Machtkampf in der Firma mitgenommen hatte, später mein Lieblings-Lebensmotto wurde: „Lieber ungenau richtig als exakt falsch.“
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