Superzyklus am Immobilienmarkt

Das sprang der gesamten des Lesens kundigen Welt, so sie denn das altehrwürdige Handelsblatt abonniert hat, heute gleich beim Frühstück auf der Titelseite in’s Auge.

Der deutsche Immobilienmarkt erlebt gerade einen Rekord mit einem Jahresumsatzvolumen von 270 Mrd. EUR. Dabei ist der Rekordumsatz vor allem auf steigende Preise zurückzuführen – die Anzahl der durchgeführten Transaktionen dagegen stagniert bereits seit 2015.

Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase gehen Experten davon aus, dass der Immobilienboom noch einige Jahre anhalten wird. In der Branche ist bereits von einem „Superzyklus“ die Rede: Üblicher Weise dauert ein Immobilienzyklus etwa sieben Jahre, der aktuelle dagegen ist bereits in seinem zehnten Jahr.

„Ich sehe jedoch noch keine Blasengefahr“, zitiert das Handelsblatt einen gewissen Markus Eltges, seines Zeichens Leiter des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Und Helge Scheunemann, Analyst beim Immobiliendienstleister JLL, lässt uns wissen, dass „die Luft dünner wird“ wenn es um die hohen Preise geht. Er erkennt im Moment aber keine ernsthafte Bedrohung, die einen Absturz auslösen könnte.

Genau an der Stelle fängt der Finanzhistoriker an, sich am Kopf zu kratzen. Nach aller historischen Erfahrung finden Abstürze nämlich mit besonderer Vorliebe dann statt, wenn kein Experte eine ernsthafte Bedrohung sah, die einen Absturz auslösen könnte. Erwarte das Unerwartete, das hat der Verfasser dieser Zeilen in seinem Leben durchaus gelernt, und während dieses Lernprozesses mehr als nur einmal bis zu den Knöcheln im eigenen Blut gestanden.

Alles in allem sind wir deshalb überhaupt nicht erpicht darauf, selbst noch mit auszutesten, wie lange der Zyklus tatsächlich laufen wird. Im Gegenteil, wir sind froh und dankbar, dass wir mit unseren abwickelnden Fonds jahrelang von diesem „Superzyklus“ profitieren konnten, aber genau so froh und dankbar sind wir, daß das Thema „Immobilienbewertung“ für uns ein für allemal Geschichte sein wird, sobald der CS Euroreal auch seine letzte Immobilie (ein Einkaufszentrum im Großraum Mailand) verkauft hat.

Ohnehin gehört an dieser Stelle mit einem weit verbreiteten Irrtum aufgeräumt: „den Immobilienmarkt“, wie es uns die Schlagzeile des Handelsblatt suggerieren möchte, gibt es als homogenes Gebilde oder gar als Erfolgsgarant für einen Investitionserfolg genau so wenig wie es „die Frauen“, „die Autofahrer“, „die Politiker“, „die Schwulen“, „die Ausländer“ oder „die Muslime“ als homogene Gruppen gibt, die man alle über einen Kamm scheren könnte. Keine einzige Menschengruppe auf Gottes Erde taugt als Feindbild. In ausnahmslos jeder Gruppe gibt es gute Menschen und schlechte Menschen.

So ist das dann auch mit dem Immobilienmarkt. „Den Immobilienmarkt“ gibt es so gar nicht, sondern es gibt im Markt eine sehr große Menge Immobilien, der eine Teil davon ist gut, der andere Teil ist schlecht. Und wenn man das Pech hatte, an eine schlechte Immobilie geraten zu sein, dann nützt einem auch der allergrößte „Superzyklus“ rein gar nichts. Das hatten wir gerade erst vorgestern mit dem CS-Euroreal-Einkaufszentrum „Porto degli Ulivi“ im süditalienischen Kalabrien wieder mal leidvoll erfahren dürfen.

Heute haben wir dafür noch ein weiteres anschauliches Beispiel aus dem abwickelnden Immobilienfonds Focus Nordic Cities (den wir immer als zu kleinteilig und zu schwierig zu analysieren eingeschätzt hatten, deshalb waren wir da nie engagiert). In einer aktuellen Mitteilung bereitet das Management die Investoren darauf vor, daß sich mindestens mal eines der beiden in diesem Fonds noch verbliebenen Objekte als „Griff in’s Klo“ erweisen könnte. Dabei handelt es sich um eine Liegenschaft im schwedischen Malmö, also grundsätzlich eine mal eher prosperierende Region. Doch das dort im Februar 2008 erworbene Schmuckstück entwickelte sich wie folgt:

312.500.000 SEK war vor 11 1/2 Jahren der vom Fonds bezahlte Kaufpreis

150.000.000 SEK wurden im September 2019 noch als Verkehrswert geführt

104.000.000 SEK soll der Kaufpreis bei dem für Februar 2020 geplanten Besitzübergang betragen

Die Objektrendite für die dann 12 Jahre Haltedauer wird mit -4,7 % p.a. angegeben. Hätte man die 312 1/2 Millionen Schwedenkrönchen im Februar 2008 mal lieber auf’s Sparbuch gelegt und den „Superzyklus am Immobilienmarkt“ verschlafen …

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