Unser Galeriewald

So lange dieses unser Vaterland keine anderen Sorgen hat, kann es mit der Corona-Pandemie so schlimm dann doch nicht gewesen sein. Jedenfalls teilt die Landrätin des Landkreises Wolfenbüttel (oder heißt es bei korrektem Gendern vielleicht richtiger Weise „Landratte“?) der Aktien-Gesellschaft für Historische Wertpapiere als Eigentümerin des auch von uns bewohnten Betriebsgrundstücks vor wenigen Tagen mit, daß man auf unserem Grundstück einen Biotoptyp im Sinne des § 30 BNatSchG i.V.m. § 24 Abs. 2 NAGBNatSchG entdeckt hat.

Unter uns gesagt: Es handelt sich um einen ca. 2 m breiten ungepflegten Gestrüppstreifen an unserer südwestlichen Grundstücksgrenze (dahinter liegt an einen Wirtschaftsweg anschließend das oft zitierte Rübenfeld). Das von allein entstandene Gestrüpp, das praktischer Weise die Kosten für die Errichtung eines Zauns sparte, blieb im Laufe der Jahrzehnte völlig sich selbst überlassen. Nur gelegentlich entnahm der Verfasser dieser Zeilen ein paar Zweige, wenn ihm von der besten Ehefrau von allen die Beschaffung eines Osterstrausses aufgetragen worden war. Ansonsten ist es ein beliebter Ort für vorbeilaufende Spaziergänger und Hundeausführer, um dort genau vor meinem Bürofenster vermeintlich unbeobachtet in aller Ruhe in’s Gebüsch zu pissen. Möglicher Weise hat ja genau diese Nährstoffüberversorgung des Gestrüpps das von der Kreisverwaltung festgestellte Entstehen einer „insgesamt recht üppig entwickelten, jedoch sehr artenarm ausgeprägten krautigen Flora“ befördert.

Jedenfalls schaut der Verfasser dieser Zeilen neuerdings zu seiner eigenen großen Überraschung beim Blick aus dem Bürofenster auf den „Galeriewald an der Wabe“, so hat die Kreisverwaltung das neu entdeckte Biotop nämlich bezeichnet. Wobei es das Geheimnis besagter Kreisverwaltung und eine jeden Semantiker sein Leben lang quälende Frage bleiben wird, warum man einen ca. 2 m breiten Gestrüppstreifen als „Wald“ bezeichnet, wo doch dieser Gestrüppstreifen nach eigener Darlegung der Verwaldung, pardon, Verwaltung, in ihrem eingangs schon erwähntem Bescheid „partiell frei von Bäumen“ ist.

Wieder was dazugelernt. Es braucht gar keine Bäume, damit man das Gefühl hat, man steht im Wald. Ist doch aber auch klar: In Zeiten eines überbordenden sozialen Gerechtigkeitsfimmels darf man ein Gestrüpp ja nicht dadurch sozial benachteiligen, dass man ihm die Qualifizierung als Wald verwehrt.

Lassen wir als vernachlässigenswerte Bagatelle auch einfach mal im Raum stehen, dass es sich bei besagtem Fließgewässer, an dem sich das nunmehr geschützte Biotop befinden soll, mitnichten um den Bachlauf der im Elm entspringenden und bei Braunschweig in die Schunter mündenden Wabe handelt. Vielmehr handelt es sich um den Salzdahlumer Salzgraben. Die Wabe fließt zwar auch an unserem Grundstück vorbei, aber gut 200 m von der genau entgegengesetzten nordöstlichen Grundstücksgrenze entfernt. Das dort im Schotter des Gleisbetts des früheren Werksanschlußgleises der Braunschweig-Schöninger Eisenbahn gewöhnlich ebenfalls wuchernde Gestrüpp wird von den durch urdeutsche Gartenzwerg-Ästhetik geprägten Nachbarn allerdings regelmäßig niedergemacht, so daß sich dort bedauerlicher Weise bisher kein Biotop entwickeln mochte.

Wir hatten in Niedersachsen vor längerem mal einen Ministerpräsidenten Glogowski, der, sagen wir mal so, meistens eine durchaus praxisorientierte Sichtweise der Dinge hatte. Bei einer Veranstaltung in kleinerem Kreis vernahm der Verfasser dieser Zeilen von besagtem Ministerpräsidenten also auch: „Da schmeißt jemand ein gebrauchtes Tempotuch in die Gegend, darumherum wächst dann Unkraut, und schon ist es ein Biotop.“ Der Verfasser dieser Zeilen war bis jetzt fest davon überzeugt, dass besagter Ministerpräsident das ironisch gemeint hatte. Doch offenkundig scheinen es einige seiner heutigen Parteifreund*innen (da ist es wieder, das Gendersternchen) durchaus für bare Münze zu nehmen.

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