Unsere Katze

Seit fast 40 Jahren bin ich schon Abonnent des „Handelsblatt“. Früher war ich sogar mal ein ganz begeisterter Leser, der das elitäre Gefühl genoß, hier auf etwas fokussiert zu sein, was im Freundeskreis kaum jemand verstand: Wirtschaft.

Inzwischen ist die Begeisterung etwas abgekühlt. Deutlich jenseits der 60 kommt wohl jeder Mensch irgendwann auf den Trichter, dass die tägliche Verengung aller Sichtweisen auf das Thema Wirtschaft und Erfolg nicht der Sinn des Lebens gewesen sein konnte. Deshalb ist es manchmal sogar schon nervig, wenn einen diese Zeitung schon zum Frühstück mit Negativ-Schlagzeilen „beglückt“: Die US-Amerikaner haben ihren Abstand zu uns bei den Börsenbewertungen noch weiter vergrößert. In puncto Innovationskraft sind wir nur noch die viertstärkste Nation der Welt (obwohl ich zum Beispiel den Belgiern wirklich von ganzem Herzen gönne, dass sie angeblich noch einen Platz vor uns liegen). Wir verschenken irrsinnig viel Potential, nur 6 % aller deutschen Patentanmeldungen kommen von Frauen, beklagt sich (natürlich eine von der Quote nach oben gespülte Frau) die Chefin des Deutschen Patentamts.

Nehmen wir da mal unsere Katze Paula. Ihr ist herzlich egal, wer die schönste, die schnellste oder die gelehrigste schwarze Katze ist. Auf Bäume klettert sie, weil es ihr Spaß macht. Und nicht etwa, weil sie unbedingt höher klettern will als alle anderen Katzen. Sie wächst schon seit Jahren nicht mehr, und überdurchschnittlich innovativ war sie bei Lichte besehen auch nie. Dennoch hat sie ganz selbstverständlich den Anspruch, von uns gefüttert und geliebt zu werden. In genau dieser Reihenfolge.

Gerade eben fiel der besten Ehefrau von allen beim Einräumen des Kühlschranks der Becher mit Fleischsalat auf den Küchenboden. Der Deckel sprang ab, etwas Fleischsalat kleckerte auf den Boden, und ich gebe zu: „Beste Ehefrau von allen“ war in dem Augenblick vielleicht nicht ganz exakt die Bezeichnung meiner Holden, die mir durch den Kopf zuckte. Schon hopste Paula vom Tisch, schleckte das Malheur auf, und aus dem potentiellen Beginn eines nachweihnachtlichen Ehekrachs wurde urplötzlich eine win-win-Situation für alle Beteiligten.

Vielleicht sollte man die Dinge einfach nur nicht so ernst nehmen. Vielleicht muß man auch nicht immer der Größte, der Schönste, der Schnellste oder der Beste sein. Vielleicht muß man nicht einmal ständig irgendeine Fußballmeisterschaft gewinnen. Ich glaube, von Katzen könnten wir da eine ganze Menge lernen.

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