Wir sind kein Börsenbrief …
… aber der Verfasser dieser Zeilen hat auch keine Scheu, unseren treuen Lesern hier statt der gewohnten Neuigkeiten aus der Welt der abwickelnden Offenen Immobilienfonds oder den weltverschmerzten satirisch-ironischen Ergüssen aus den Lexika des unnützen Wissens zur Abwechslung einmal etwas wirklich Nützliches mitzuteilen.
Wie die meisten unserer Leser wissen, kommen wir, die Müllmänner ganz am Ende der Nahrungskette der Kapitalmärkte, ja eigentlich aus dem Bereich „Historische Wertpapiere“. Und predigen seit vielen Jahren, daß es auch für aktuelle Anlageentscheidungen wirklich hilfreich sein kann, sich ein bißchen in der Finanzgeschichte auszukennen. So ist also auch der Verfasser dieser Zeilen bis heute selbst Sammler Historischer Wertpapiere (der damit vor über 30 Jahren mal sein Hobby zum Beruf gemacht hatte).
Neben den größeren Sammlungen pflegt er auch zwei süße kleine Spezialgebiete: Das eine ist „Politik auf Wertpapieren“. Es ist ein ganz spannendes Thema, vor allem, weil fast 90 % aller dazu sammelbaren Wertpapiere von sozialistischen oder kommunistischen Parteien ausgegeben wurden. Was bei Lichte besehen ja auch mehr als erklärlich ist: Die Rechten und die Liberalen konnten einfach bei den Wirtschaftsbossen zu Kreuze kriechen und Geld locker machen. Die Linken hatten keine Großspender. Die mussten die Groschen mühsam und in Kleinbeträgen, meist in Form von Schuldverschreibungen, bei ihrer im Schnitt eher wenig vermögenden Anhängerschaft einwerben.
Das zweite Spezialgebiet sind „Nationalbanken“. Heute kann sich kaum noch jemand vorstellen, daß in früheren Zeiten die Nationalbanken und mit ihnen das Banknotenausgaberecht regelmäßig nicht dem Staat gehörten, sondern privaten Anteilseignern. Auch in Deutschland war es so, daß die Reichsbank eine speziell verfasste Aktiengesellschaft war und ihr in Anteilscheinen verbrieftes Grundkapital von 150 Mio. RM bis zum Schluß ausschließlich privaten Anteilseignern gehörte, die allerdings in der Geschäftspolitik der Bank gar nichts zu sagen hatten. Noch bis in die 1960er Jahre wurden diese Anteilscheine im Telefonverkehr gehandelt, dann von der Deutschen Bundesbank in Bundesbank-Genußscheine umgetauscht und schließlich durch Rückkauf peu á peu aus dem Verkehr gezogen.
Die Zahl der hierzu sammelbaren Wertpapiere bleibt überschaubar, denn jedes Land dieser Erde hatte und hat ja immer nur eine Nationalbank zur gleichen Zeit. Das berühmteste historische Wertpapier zu diesem Thema ist übrigens die Gründeraktie der privilegirten oesterreichischen National-Bank aus dem Jahr 1816, ausgestellt auf den Musiker und Komponisten Ludwig van Beethoven. Diese Trouvaille der Finanzgeschichte hütet heute die Oesterreichische Nationalbank in ihrem Geldmuseum wie einen Augapfel.
Längst nicht bei allen Nationalbanken wurden die privaten Anteilseigner im Laufe der Zeit herausgedrängt. Bei unserem Sommerfest 2015 wies uns einer unserer in der Schweiz lebenden Aktionäre auf die Aktien der Schweizerischen Nationalbank hin, die bis heute an der Börse gehandelt werden (oder, um es Schweiz-typisch zu sagen, die kotiert sind). Die Dividende für die Privataktionäre ist bei 25 Fr. gedeckelt, alles darüber hinausgehende muß die SNB der Eidgenossenschaft bzw. den Kantonen abliefern. Aber, sagte unser Besucher, bei einem Börsenkurs von 1.250 Fr. sind 25 Fr. eben auch 2 % Rendite – wo sonst in der Schweiz kriegst Du das für eine so bombensichere Anlage?
Der Verfasser dieser Zeilen ließ sich überzeugen und kaufte ein paar Stücke. Als die dann nach gut einem Jahr bis auf 2.000 Fr. gestiegen waren, wurde der Kursgewinn mitgenommen und nie wieder draufgeschaut. Inzwischen wissen wir, daß man doch die alte Börsenweisheit hätte beherzigen sollen: „Gewinne laufen lassen, Verluste abschneiden.“ Bis Frühjahr 2018 stieg der Kurs der SNB-Aktie auf über 8.000 Fr. und liegt heute immer noch komfortabel über 5.000 Fr.
Vorletztes Wochenende besuchten wir eine HWP-Auktion in Antwerpen. Für die private Spezialsammlung gab es da unter anderem eine 1927 ausgegebene Aktie der Banque Nationale de Belgique zu ersteigern, angabegemäß zuletzt vor 28 Jahren in einer Auktion angeboten. Doch diese große Seltenheit war gar nicht der Hauptgrund, warum sich die historische Aktie inzwischen in der Sammlung des Verfassers befindet. Der Hauptgrund war die Angabe im Katalogtext „50 % of the BNB stock is freely traded on Euronext Brussels, the other 50 % of the shares are owned by the Belgian government.“
Auch Sie, geschätzte Leserin und geschätzter Leser, können ganz einfach Aktionär der Nationalbank von Belgien werden. Nennen Sie Ihrer Bank die WKN 850 398 und ordern Sie an der Euronext Brüssel. Aktuell kommen Sie da bei Kursen um die 2.500 EUR zum Zuge.
Zur Jahrtausendwende notierte die BNB-Aktie mal um 1.500 EUR. Anders als bei der SNB ist die BNB-Dividende übrigens nicht einmal gedeckelt (es gibt nur entstehungsabhängige Gewinnbestandteile, die dem Staat zustehen) und wurde in den letzten zwei Jahrzehnten tendenziell deutlich erhöht. Das brachte den Kurs im Jahr 2003 und dann erneut 2010 bis auf über 4.000 EUR. Innerhalb dieser Bandbreite scheint uns der aktuelle Kurs gar nicht so unattraktiv zu sein. Vor allem, nachdem die BNB erst Ende März ankündigte, die Ende Mai zahlbare Dividende für das Geschäftsjahr 2018 gegenüber Vorjahr um 8,5 % zu steigern auf nunmehr 138,47 EUR pro Aktie. Die Dividendenrendite können Sie sich selbst ausrechnen, und sie scheint uns auch einigermaßen gesichert: In den letzten 10 Jahren lag die Dividende stets in der Bandbreite zwischen 120,00 und 150,00 EUR.
Dazu kommt, daß der innere Wert der BNB-Aktien weit über dem aktuellen Börsenkurs liegt: Offen ausgewiesenes Kapital und Rücklagen der BNB machen über 15.000 EUR pro Aktie aus. Spekulationen in diese Richtung möchte die BNB natürlich gern dämpfen (vor allem nach einem 2002 geführten Prozess mit privaten Anteilseignern, wem die Reserven der Bank eigentlich zustehen – Ergebnis: im Grundsatz immer noch den Aktionären), und deshalb findet sich auf der Internet-Seite der Bank unter den FAQ’s interessanter Weise auch die Frage „Was wären die Aktien der Nationalbank wert, wenn diese aufgelöst würde?“ Die Antwort ist dann irgendwie typisch belgisch: „Die Hypothese einer Auflösung der Nationalbank entbehrt jeder Grundlage. … Daher verbietet sich jegliche in diese Richtung gehende Spekulation.“
Es gibt aber in der jüngeren Vergangenheit einen in etwa vergleichbaren Fall: Das war die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel (die „Zentralbank der Zentralbanken“), deren Aktien zur Jahrtausendwende immer noch zu 13,73 % bei Privataktionären lagen und börsengehandelt waren. 2001 wurden die Privataktionäre zwangsweise mit 16.000 CHF je Aktie abgefunden – das war in etwa das Doppelte der in den Jahren davor notierten Börsenkurse. Sie sehen, liebe Leser, Finanzgeschichte kann durchaus nicht nur interessant, sondern auch lehrreich sein und dem Kundigen profitables Wissen vermitteln.
Spaßeshalber haben wir übrigens mal ausgerechnet, was wäre, wenn die CS Realwerte AG ihr ganzes Geld in Aktien der Banque Nationale de Belgique investieren würde. Kaum auszudenken: Da die BNB überhaupt nur 400.000 Aktien ausgegeben hat, würden uns dann 3 % der belgischen Nationalbank gehören …
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