Geld regiert die Welt

Schon mehrfach hatte der Verfasser dieser Zeilen hier betont, daß ihm seine eigentliche Arbeit immer noch großen Spaß macht, nämlich die Beschäftigung mit Historischen Wertpapieren. Gerade eben war im Büro besagten Verfassers einer seiner besten Freunde zu Besuch, mit dem zusammen er vor über 51 Jahren mal bei der NORD/LB als Banklehrling angefangen hatte. Und der fragte, weshalb ich mit meinen inzwischen fast 70 Jahren immer noch fast jeden Tag ins Büro latsche anstatt das Rentnerdasein zu geniessen. Da zeigte ich ihm einfach die Aktie, deren Geschichte ich heute vormittag recherchiert hatte. Ich ahnte heute morgen noch gar nicht, was da auf mich zukommt: Ein historisches Wertpapier mit dem sich ohne weiteres am Beispiel einer einzigen Aktie die gesamte Klüngelei der Menschheitsgeschichte erklären lässt.

Das gute Stück ist ausgesprochen selten, erst ein einziges Mal hatten wir im Jahr 2005 schon mal eine ähnliche Aktie versteigert – auf Grund der damals noch deutlich eingeschränkteren Recherche-Möglichkeiten gar nicht ahnend, was für einen Schatz wir da in Händen hielten. Hin und wieder, der Verfasser dieser Zeilen gibt es mehr als ungerne zu, hat technischer Fortschritt dann wohl doch einen gewissen Nutzen. Nun also ist diese Aktie, obgleich mit 200,00 EUR alles andere als teuer ausgerufen, aber ob ihrer Geschichte eines der Highlights der XLIV. Auktion des Hanseatischen Sammlerkontors für Historische Wertpapiere am 7. Juni 2025 (einen Tag nach der diesjährigen Hauptversammlung der CS Realwerte Aktiengesellschaft).

 

 

Die Geschichte dieser 1890 gegründeten Gesellschaft ist eng verbunden mit den Namen George Herbert Walker, W. Averell Harriman sowie Max Warburg und der Hamburg-Amerika-Linie HAPAG.

W. Averell Harriman (1891-1986) war Sohn des Eisenbahnmoguls Edward Henry Harriman. Der hatte mit 14 Jahren die Schule geschmissen, verdingte sich erst mal als Laufbursche an der Wall Street und wurde bereits im Alter von 22 Jahren Mitglied der New York Stock Exchange. Der große Durchbruch gelang ihm 1897, als er mit Hilfe der Investmentbank Kuhn, Loeb & Co. die pleite gegangene Union Pacific Railroad sanierte. Bei seinem Tod im Alter von 61 Jahren hinterließ E. H. Harriman im Jahr 1909 seiner Frau und seinem einzigen Sohn W. Averell Harriman ein für die damalige Zeit unvorstellbares Vermögen von 500 Mio. $.  Mit diesem väterlichen Vermögen im Rücken gründete W. Averell Harriman 1922 die Investmentbank W. A. Harriman & Co.

1924 machte er sich auch für Fritz Thyssen und seine Vereinigten Stahlwerke nützlich, indem er die Union Banking Corp. in New York gründete. Deren offizieller Anteilseigner war Thyssens‘ in Holland domizilierende Bank voor Handel en Scheepvaart, über die Fritz Thyssen übrigens auch Adolf Hitler finanzierte. Die Untersuchung der Union Banking Corp. durch das Office of Alien Property Custodian verschloß vor diesem Zusammenhang 1942 allerdings die Augen. Zwar wurden die Vermögenswerte der Bank 1942 beschlagnahmt, aber nach dem Krieg wieder zurückgegeben und schließlich in den 1950er Jahren nach Auflösung der UBC an die Familie Thyssen ausgekehrt.

W. Averell Harriman investierte nach dem Ersten Weltkrieg in Reedereien und war Großaktionär u.a. bei der Pacific Mail Steamship Co. (über die Union Pacific Railroad, bei der die Familie Harriman immer noch Großaktionär war und wo bereits sein Vater diese Beteiligung aufgebaut hatte), der American Shipping and Commerce Corp. (die später die Aktienmehrheit der HAPAG erwarb), der American Hawaiian Steamship Co. etc.

Während des 2. Weltkrieges war er US-Botschafter in der Sowjetunion, dann Handelsminister unter Präsident Truman und Koordinator des Marshallplans, schließlich 1955-58 Gouverneur des Staates New York. Unter Präsident John F. Kennedy leitete er im Außenministerium die Abteilung für Ostasien und Pazifik. Harriman wird zu den sechs „Weisen“ gezählt, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre den größten Einfluß auf die US-Außenpolitik hatten.

George Herbert Walker (1875-1953), Großvater mütterlicherseits von Präsident George H. W. Bush, gründete 1900 die Bank- und Investmentfirma G. H. Walker & Co. Die Mittelinitialen des späteren 41. US-Präsidenten sind übrigens nichts weiter als eine Ehrerweisung an den Großvater: George Herbert Walker.

1920 wurde Walker zudem President der Investmentfirma W. A. Harriman & Co. und arrangierte schnell die Kredite, die W. Averell Harriman benötigte, um die American Ship and Commerce Corp. sowie die Kontrolle über die Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG) zu übernehmen.

Die Fusion 1931 von Harriman mit dem Londoner Investmenthaus Brown Bros. & Co. zu Brown Brothers Harriman machte die Firma zur größten und politisch einflussreichsten Privatbank der USA. Walker zog sich nach dieser Fusion aus der Unternehmensleitung zurück und überließ die Führung seinem Schwiegersohn Prescott Bush. Er selbst widmete sich fortan seiner größten Leidenschaft, dem Golfsport, und wurde President der United States Golf Association. Nach ihm ist der 1922 gestiftete Walker Cup benannt.

Im Mai 1933 wurde dann ein Vertrag geschlossen zwischen Hjalmar Schacht (damals Präsident der Reichsbank), John Foster Dulles (nach dem Krieg US-Außenminister), dem Bankier Max Warburg und Kurt von Schroeder, wonach alle deutschen Exporte in die USA über Harriman International abgewickelt wurden.

Den Zusammenhang zwischen Wall Street Bankiers und dem Aufstieg Adolf Hitlers begann die offizielle Geschichtsschreibung bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geflissentlich zu verschweigen. Zu peinlich wäre es ja auch gewesen, zugeben zu müssen, daß uns die Amerikaner von etwas befreiten das sie uns zuvor mit eingebrockt hatten. Der Harvardprofessor Anthony C. Sutton (1925-2002) beschäftigte sich in mehreren Publikationen mit dem Zusammenhang zwischen Wall Street Bankiers und dem Aufstieg Hitlers. Den Einfluss Harrimans am Vorabend der „Machtübernahme“ beschreibt er in seinem Buch „Wall Street und der Aufstieg Hitlers“ so: „Ohne die Finanzspritze Thyssens (über seine Bank voor Handel en Scheepvaart) und Harrimans American Ship and Commerce Corp. wäre Hitler 1933 wohl nicht an die Macht gekommen.“

Ähnlichkeiten die heutige Zeit betreffend wären rein zufällig. Wären sie rein zufällig? Nein, wären sie nicht. Geld hat noch nie Moral gehabt, und Börsen haben auch noch nie Moral gehabt. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis ist übrigens auch das zeitgeistige Geschwätz von Nachhaltigkeit bei Kapitalanlagen nichts weiter als eine woke Lachnummer.

Als hoffentlich einigermaßen guter Mensch auf dieser Welt ist man nur allzu leicht geneigt, Egoismus und Opportunismus der Anderen und auch Egoismus und Mitleidlosigkeit der Märkte gnadenlos zu unterschätzen. Das ist eine der durchaus bitteren Erkenntnisse, die dem Finanzhistoriker bleiben nach einem halben Jahrhundert Erfahrung mit einer Welt, die nun mal so verfasst ist wie sie verfasst ist.

Es gehört allerdings auch zur Wahrheit, daß man die Dinge differenziert betrachtet. Fritz Thyssen (1873-1951) zum Beispiel. Er war ein glühender Anhänger und schon seit 1930 einer der ersten und größten Finanziers und Unterstützer von Adolf Hitler und der NSdAP. Doch im Frühjahr 1935 begann er bereits zu zweifeln und geriet auf einem Jagdausflug in der Schorfheide in einen heftigen Streit mit Göring wegen des Umgangs mit der katholischen Kirche und mit den Juden. Er brach endgültig mit dem Nazi-Regime, sprach sich öffentlich gegen den von Hitler begonnenen Krieg aus und stimmte auch als Reichstagsabgeordneter dagegen.

1939 floh Fritz Thyssen mit seiner Frau in die Schweiz, reiste dann wegen der Beerdigung seiner Mutter durch Frankreich, wo ihn die Vichy-Regierung Ende 1940 in Nizza auf Druck der Gestapo verhaften ließ und ihn entgegen der vorherigen Zusicherung freien Geleits wieder nach Deutschland auslieferte. Große Aufmerksamkeit erregte das im Herbst 1941 in London erschienene Buch „I paid Hitler“. Sein Widerstand brachte Fritz Thyssen schließlich fünf Jahre Haft ein, zunächst in der Psychiatrie in Neubabelsberg, später in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau. Er überlebte das, wurde im Entnazifierungsverfahren 1948 als minderbelastet eingestuft und zog Ende 1949 zu seiner Tochter nach Buenos Aires, wo er 1951 einem Herzinfarkt erlag.

Ein herzliches Dankeschön

Nach mehr als einem Jahr interessierte den Verfasser dieser Zeilen doch wieder einmal, ob dieser ganze Quatsch hier überhaupt noch gelesen wird. Fassungslos schaute er dann auf die Statistik unseres Providers: Wir haben hier unverändert immer noch fast 10.000 regelmäßige Leser und zwischen 500 und 800 Besuche – jeden Tag. Haben die denn alle nichts besseres zu tun? Ich bin wirklich gerührt. Und ich bedanke mich herzlich für so viel Lesertreue.

Nun bin ich gleich noch motivierter, wenn ich in wenigen Minuten beginne meiner eigentlichen Arbeit nachzugehen: Historische Wertpapiere versteigern. Drücken Sie mir die Daumen daß die große Frühjahrsauktion der Freunde Historischer Wertpapiere heute ordentlich läuft.

Manna vom Himmel

Soeben hat der Aufsichtsrat der CS Realwerte AG den Jahresabschluß 2024 gebilligt und festgestellt und die Tagesordnung für die Hauptversammlung am 6. Juni 2025 festgelegt.

Die frohe Botschaft für unsere Aktionäre: Der Hauptversammlung werden wir vorschlagen, zusätzlich zur grundsätzlich schon früher angekündigt gewesenen Dividende von 80,00 €/Aktie einen Bonus von 40,00 €/Aktie zu zahlen. Damit das von unseren Aktionären auch als echte Bescherung empfunden wird soll die Auszahlung am 23.12.2025 erfolgen.

Auch der Termin für die nächstjährige Hauptversammlung steht bereits fest: Die wird am 29. Mai 2026 stattfinden.

200 % Zoll auf Wein und Alkohol …

… hat Onkel Donald den Europäern angedroht, erfährt der Verfasser dieser Zeilen aus den heutigen Nachrichten. Und hat richtig begeistert in die Hände geklatscht. Seine notorische Fortschrittsverweigerung, sein abgrundtiefes Mißtrauen gegenüber einer KI – der Verfasser dieser Zeilen war noch nie Mainstream, sondern schon immer ein Sonderling mit teils merkwürdigen Ansichten und auch schon lange ein ausgesprochener Globalisierungsskeptiker.

Besagter Verfasser und die beste Ehefrau von allen trinken beispielsweise aus Prinzip keinen Wein aus Australien, Südafrika oder Kalifornien. Nicht weil man den dortigen Winzern das Geschäft nicht gönnen würde. Sondern weil wir es aus Sorge um diesen Planeten einfach für blanken Unsinn halten, Weinflaschen, Autos oder Kühlcontainer mit deutschem Schweinefleisch um die halbe Erde zu schicken, nur weil da eine gewisse Schule von Oekonomen in ihrem Schmalspurdenken jahrzehntelang den Freihandel gepredigt hat.

Alles was wir in den letzten Jahren in der westlichen Welt so geglaubt haben schienen uns unverrückbare Wahrheiten zu sein. Und nun kommt da einer und stellt alles, was wir bisher für die Wahrheit gehalten haben, in Frage. Da kommt dann doch wieder der Historiker in mir durch und mahnt: Ob es nun Onkel Donald ist, der nicht mehr alle Latten am Zaun hat, oder am Ende doch wir gegen alle Widrigkeiten staatsvollkaskoversicherten, aber möglicher Weise nicht einmal selbst verteidigungsfähigen Europäer, das muß sich erst noch erweisen.

Nur weil Onkel Donald ganz anders denkt darf man ja nicht unreflektiert meinen daß er grundsätzlich falsch liegt. Man muß sich in diesen Zeiten vielleicht nur etwas umgewöhnen und darf überkommene Verhaltensmuster der Vergangenheit nicht für unverrückbar gottgegeben halten. 200 % Zoll auf Wein findet der Verfasser dieser Zeilen jedenfalls eine ganz großartige Idee. Wenn die Weinexporte in die USA einbrechen, dann bleibt mehr für uns, um eine Zeit zu ertragen, in der ständig leicht einen sitzen zu haben eine durchaus brauchbare Alternative sein könnte. Vor allem, wenn man mit positiver Grundstimmung über schöpferisches Chaos nachdenken möchte.

Im übrigen wollte der Verfasser dieser Zeilen nur mal darauf hingewiesen haben: Soooo neu sind die heute heiß diskutierten Themen ja nun auch nicht. Nehmen wir nur mal das Beispiel Immigration, vor allem illegale Immigration. Es ist schon über 30 Jahre her, aber ich erinnere die Szene noch äußerst lebhaft: Internationales Sammlertreffen der Freunde Historische Wertpapiere, damals noch in Frankfurt/Main im noblen Frankfurter Hof, man lässt den Abend an der Hotelbar ausklingen. Mein englischer Kollege Keith Hollander und mein amerikanischer Kollege Scott Winslow, bis heute einer meiner sehr guten Freunde in den USA (und leider glühender Trump-Anhänger), führen eine hitzige Diskussion über illegale Immigration im Vereinigten Königreich. Unter der Einwirkung einiger bereits genossener Bierchen pault Scott unseren englischen Kollegen an: „Why don’t you throw all that rubbish out ??!!“ Und Keith Hollender, ein britischer Gentleman wie er im Buche steht mit stets geröteten Wangen, schaut Scott ganz ruhig an und antwortet: „Oh! We did already. By the Mayflower.“

Aus dem Nähkästchen der Finanzgeschichte geplaudert …

Nicht alle Historischen Wertpapiere sind immer nur historisch. Schon im vorigen Beitrag hatte ich Sie vor Staatsanleihen ein bißchen gewarnt: Fast 80 % der in den letzten zwei Jahrhunderten weltweit ausgegebenen Staatsanleihen wurden am Ende nie zurückgezahlt. Es gehört aber zu den Eigenheiten unseres Sammelgebietes, daß hier immer mal wieder ein (meist von interessierten Kreisen der grauen Kapitalmärkte angefachter) Funken Hoffnung erglimmt und man die Leute glauben macht, auf die eigentlich längst abgeschriebenen Bonds gäbe es plötzlich wieder was zu holen. Was der Verfasser dieser Zeilen da in den letzten drei Jahrzehnten so erlebt hat war am Ende zwar immer ein von speziellen Eigeninteressen der Urheber geleiteter Irrglaube. Aber wenn eines auf dieser Welt ganz bestimmt ewige Gültigkeit haben wird, dann ist es das Börsianer-Bonmot „Gier frisst Hirn.“

Der Klassiker: Die Reorganisationsanleihe des chinesischen Kaiserreichs aus dem Jahr 1913, die Mao nach seinem Durchmarsch an die Macht als illegitime Schulden der Vorgänger der im Oktober 1949 gegründeten Volksrepublik China nicht mehr bedienen wollte. Gleich mehrere Spekulationswellen gab es in den sogenannten Reo’s in den letzten Jahrzehnten, obwohl es schon eine abenteuerliche Annahme ist, die Volksrepublik China käme heute plötzlich auf die Idee die Altschulden des letzten Kaisers von China zu bedienen.

Oder aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wir sind jetzt in den USA: Unbediente Anleihen pleite gegangener Eisenbahngesellschaften mit Goldklausel. Als Sicherheit verpfändeten die Eisenbahnen Grund und Boden in heute immens wertvollen US-Innenstadtlagen. Da wurde das Gerücht in die Welt gesetzt, für den Wert der verpfändeten Grundstücke müsse die US-Regierung die Anleihegläubiger entschädigen. Findige Rechenkünstler rechneten also damalige Golddollar mit dem damaligen offiziellen Goldpreis in die entsprechende Menge Gold und diese dann in heutige Papierdollar um, addierten Zins und Zinseszins für mehr als ein Jahrhundert, und plötzlich erschienen Gutachten, wonach ein einziger 1.000-Gold-Dollar-Bond von damals heute einen Wert von über einer Million Dollar habe. Beim Verfasser dieser Zeilen fragte damals sogar mal eine Dresdner-Bank-Tochter aus der Schweiz an (weshalb besagter Verfasser diese brilliant gemachten „Gutachten“ kennt), ob man diese „wertvollen“ Eisenbahn-Bonds wohl als Kreditsicherheit akzeptieren könne.

Auch in den 1920er Jahren aufgelegte US-Dollar-Anleihen deutscher Unternehmen und Gebietskörperschaften erfreuten sich des öfteren großer Beliebtheit. Die Gläubiger im (inzwischen feindlichen) Ausland kuckten bei diesen Anleihen im Dritten Reich erst mal in die Röhre. Erst mit dem für die Bundesrepublik Deutschland vom legendären Bankier Abs verhandelten „Londoner Schuldenabkommen“ fand man für diese Anleihen 1953 eine Schuldenregelung, die sogar die interessante Klausel enthielt, daß die Bundesrepublik zuvor unbezahlt gebliebene Zinsen erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands durch Ausgabe von Fundierungsschuldverschreibungen zu berichtigen hatte. Was übrigens 1990/91 auch tatsächlich passierte.

Damit war die Sache dann eigentlich längst geklärt. Eigentlich. Denn das hielt einen Erdbeerfarmer aus Florida ein halbes Jahrhundert nach Ende des 2. Weltkriegs nicht davon ab, die Bundesrepublik Deutschland vor diversen US-Gerichten auf eine erneute Rückzahlung der Dollar-Bonds aus den 1920er Jahren zu verklagen. Man habe ihn ja zu den Verhandlungen über das Londoner Schuldenabkommen nicht mit dazugebeten. Diese Prozesse liefen über mehrere Jahre, und in der Zeit wurde der Sammlermarkt leergekauft und die Stücke landeten im grauen US-Kapitalmarkt. Der Verfasser dieser Zeilen erinnert sich noch gut, daß er zur Jahrtausendwende sogar mal einen Anruf von der Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates Colorado erhielt, die ihn als Gutachter laden wollte. In dem Verfahren ging es darum, zwei windigen Anlagebetrügern den zu Prozeß machen, die ein paar gutgläubigen alten Damen diese alten deutschen Dollar-Bonds für teuer Geld als vermeintlich todsichere hochlukrative Kapitalanlage angedreht hatten.

Der Hammer aber war im Jahr 2011 der Hype um über hundert Jahre alte nie ordnungsgemäß zurückgezahlte mexikanische Staatsanleihen. Der Verfasser dieser Zeilen braucht heute kein Geheimnis mehr daraus zu machen, daß hartgesottene Spekulanten damals in der Spitze bis zu 250.000 Euro zahlten für ein einziges Stück der 1899er Mexico-Anleihe mit einem Nominalwert von 1.000 englischen Pfund (wegen seiner Druckfarbe damals nur der „Orange Bond“ genannt). Da lohnte es sich sogar, einen Kollegen als Kurier zur direkten Übergabe nach Mexico fliegen zu lassen und ihm als gimmick dort gleich noch eine Woche Strandurlaub zu spendieren.

Warum für diese alten Bonds so viel Geld floß, das wollten einige Zeit später sogar mal zwei unangemeldet zu Besuch gekommene Beamte des Kölner Zollkriminalamtes wissen, in Amtshilfe für die französische Finanzpolizei. Wirklich helfen konnten wir den beiden Herren mit Colt an der Hüfte aber nicht. Mutmaßungen über die tatsächlichen Gründe für diesen bis dato größten Hype der Historische-Wertpapier-Geschichte bleiben bis heute reine Kaffeesatzleserei. Und was ich ganz persönlich für die wahrscheinlichste Version halte sollte ich besser für mich behalten – unbedachtes Geplaudere kann in Mexico schon mal lebensverkürzend wirken. Aber die Beweggründe der damals reichlich vorhandenen Abnehmer dieser Bonds brauchten uns ja auch gar nicht zu interessieren. Wir machten damit das Geschäft unseres Lebens, und das erst legte die finanzielle Grundlage für die Erschaffung der CS Realwerte Aktiengesellschaft, an der wir jetzt so viel Freude haben.

Ein untrüglicher Indikator für neue Spekulationswellen sind übrigens die Anfragen bestimmter US-Kollegen, ob man von dieser oder jener Altanleihe Stücke im Bestand habe und wenn ja wie viele. Einer der üblichen Verdächtigen fragte erst gestern nach den 5 1/2 % Gold Bonds zu je 1.000 US-$, ausgegeben von der Kaiserlich Russischen Regierung im Jahr 1916. Die Altschulden des Zarenreichs interessierten das neue Sowjetrußland damals natürlich nicht die Bohne, und so blieben auch sämtliche bei der Oktoberrevolution noch ausstehenden russischen Anleihen später unbedient. Bei der aktuellen Anfrage hat der Verfasser dieser Zeilen deshalb richtig die Ohren gespitzt. Plant da unser Onkel Donald vielleicht einen Deal mit seinem Neuerdings-Buddy Vladimir Putin und überzeugt ihn davon, den Amis ihre im Jahr 1916 vermittelte Anleihe nun doch noch zurückzuzahlen? Oder, auch das würde ja noch zu seiner kruden Art zu denken passen, erwartet er am Ende vielleicht sogar von Herrn Selenskyj daß er das regelt? You never know …

Einen Präzedenzfall gäbe es sogar, zu dem sich der legendäre Altbörsianer André Kostolany wie folgt zitieren lässt:

Kostolany registrierte in den 1980er-Jahren die Entspannungspolitik von Michail Gorbatschow aufmerksam und spekulierte darauf, dass das neue Russland unbedingt an den internationalen Kapitalmarkt zurückkehren wollte. Und tatsächlich war es 1996 soweit. Russland kehrte mit einer Dollaranleihe aufs globale Finanzparkett zurück. Frankreich setzte dabei als Bedingung durch, dass die Obligationäre der Zarenanleihen von Russland eine Entschädigung erhielten – und Börsenspekulant Kostolany kassierte damit zig Millionen.

«Für mich, der zu fünf Francs gekauft hat, bedeutet es einen Gewinn von fast 6’000 Prozent.» Nach diesem Durchbruch avancierten Institutionen, Unternehmen und Banken aus Russland zu gern gesehenen «kapitalmarktfähigen» Gästen, die von Credit Suisse und UBS auch in die Schweiz eingeladen wurden.

Weh getan hat dieser Schlußstrich unter eine uralte Geschichte den Russen übrigens nicht: De facto floß gar kein Geld, sondern es wurden von westlichen Regierungen und Zentralbanken lediglich die russischen Vermögenswerte freigegeben, die man wegen der Zahlungsausfälle nach der Oktoberevolution eingefroren hatte, und dann quotal auf die Gläubiger der Altanleihen verteilt.

Ist der ein oder andere geneigte Leser jetzt doch neugierig geworden und möchte bei der 1916er Rußland-Anleihe mitspekulieren? Ihm kann geholfen werden. In der 127. Auktion der Freunde Historischer Wertpapiere am nächsten Samstag (15. März)  kann man als Los Nr. 247 so einen Russen-Gold-Bond für einen kleinen Taler ersteigern. Zum Auktionskatalog geht es gleich hier auf www.fhw-online.de

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