Langsam aber sicher auf das Ende zu …

Schlechte Gewohnheiten werden nur selten abgelegt. Und im Bankgewerbe wahrscheinlich nie. Am 30.09. gingen gleich bei drei abwickelnden Fonds die Geschäftsjahre zu Ende: Beim CS Euroreal, beim DEGI Europa und beim TMW Immobilien Weltfonds (bei dem wir aber gar nicht mehr investiert sind).

Für die Veröffentlichung des Abwicklungsberichts gibt der Gesetzgeber der Verwahrstelle (früher: Depotbank) danach drei Monate Zeit.

Nicht ausgekostet hat das die Caceis Bank als Verwahrstelle des TMW Immobilien Weltfonds: Bereits Ende November veröffentlichte sie im Bundesanzeiger den Abwicklungsbericht per 30.09.2020. Der wichtigste Satz daraus für die Anleger liest sich wie folgt:

„Auf Basis des derzeitigen Kenntnisstands gehen wir davon aus, dass der Fonds mindestens bis zum 31. Dezember 2021 Liquiditätsreserven für potenzielle steuerliche und rechtliche Risiken zurückhalten muss. Eine finale Auflösung wird nicht vor dem Kalenderjahr 2022 zu erreichen sein.“

Das ist mal ein Wort, denn damit bekommt eine bislang scheinbar unendliche Geschichte wenigstens in einem Fall mal so etwas wie Überschaubarkeit.

Der notorische Rüpel unter den Verwahrstellen bleibt dagegen die Commerzbank. Für die von ihr administrierten Fonds CS Euroreal und DEGI Europa hat sie die gesetzlichen Fristen mal wieder bis auf den letzten Tag ausgenutzt und die Abwicklungsberichte erst heute veröffentlicht. Obwohl sie schon lange vorher fertig waren, denn z.B. beim DEGI Europa musste der Bericht zwangsläufig spätestens am 17.12. fertig gewesen sein – sonst hätte die Commerzbank an diesem Tag wohl kaum die Höhe der sich aus dem Bericht ergebenden Schlußausschüttung im Januar 2021 bekannt geben können. Aber etwas anderes als notorisch beleidigende Dickfelligkeit war man von „der Bank auf der anderen Seite“ ja auch bisher nie gewohnt. Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt’s sich völlig ungeniert …

Während also die meisten Commerzbanker sich in Kürze ihren ersten Feierabend-Cocktail einschenken werden, darf der bedauernswerte Verfasser dieser Zeilen heute mal wieder bis in die Nacht Überstunden machen und die beiden Abwicklungsberichte noch eingehend analysieren. Zusätzlich zu den üblichen Jahresultimo-Arbeiten, die heute und morgen sowieso noch anliegen.

Der Abwicklungsbericht für den DEGI Europa enthält keine weltbewegenden Neuigkeiten. Erfreut nimmt der Leser zur Kenntnis, daß nun die Liquidation der letzten noch bestehenden Immobilien-Gesellschaft (Bodio Center S.r.l. in Italien) „in den nächsten Monaten“ abgeschlossen werden kann. Warum, nachdem die letzte Immobilie bereits 2015 verkauft worden war, immer noch Forderungen i.H. v. 5,2 Mio. EUR (das sind 30 % des Fondsvermögens!) „im Zusammenhang mit erfolgten Verkäufen“ bestehen, wer das schuldet und unter welchen Voraussetzungen zu zahlen ist, das verrät die Commerzbank dem Leser des Berichtes leider auch weiterhin nicht.

Zum Zeithorizont der Auflösung erfährt man unverändert „… ist eine finale Auflösung des DEGI EUROPA nicht vor dem Jahr 2024 zu erwarten.“ Nach der Ausschüttung im Januar 2021 werden weitere Ausschüttungen dann für das Kalenderjahr 2021 mit 15-25 % und das Kalenderjahr 2022 mit 30-40 % des Fondsvermögens angekündigt.

Alles in allem erscheint damit beim gegenwärtig ersichtlichen Sachstand eher ausgeschlossen, dass der DEGI Europa in den letzten paar Jahren seines Bestehens noch für größere Überraschungen gut sein könnte. Einmal abgesehen davon, dass der Leser des Berichts anlässlich einer „Rückstellung für Anwalts- und Prozesskosten“ schließlich noch erfährt, dass für den Fonds ein Schadenersatzprozess geführt wird. Warum, gegen wen, und um wieviel es da geht, erfährt man zwar auch nicht, aber immerhin: Geht der Prozeß verloren, hat das keine Auswirkungen. Gewinnt man ihn, dann gibt es doch noch einen unerwarteten NAV-Anstieg.

Der CS Euroreal hatte im Geschäftsjahr 2019/20 seine letzten drei Einkaufszentren in Tschechien und Italien veräußert. Und zwar zu grottenschlechten Preisen, wie die Wertentwicklung des Fonds noch vor Abzug der Fondskosten mit minus 7,2 % im Berichtsjahr eindeutig beweist. Von den Verkehrswerten von zuletzt noch knapp 100 Mio. EUR dürfte, wenn man die Zahlen in der „Entwicklung des Fondsvermögens“ verständig interpretiert, fast genau die Hälfte beim Verkauf durch den Schornstein gegangen sein. Das war vor einem Jahr erst einmal eine riesige Enttäuschung, denn mindestens die beiden italienischen Objekte hatten auf dem Papier so schlecht gar nicht ausgesehen (und waren unter Verweis auf Vollvermietung in den Jahren zuvor sogar noch aufgewertet worden!). Hinterher ist man natürlich immer schlauer, denn mit dem heutigen Wissen um Carola & Co. muß man sagen: Egal was die Konsumtempelchen noch gebracht hatten, Gott sei Dank sind ’se wech.

Die Vermögensstruktur zeigt nunmehr eine deutliche Vereinfachung: Nur noch eine Objektgesellschaft (Rathaus-Galerie Leverkusen)  ist noch nicht vollständig liquidiert, doch auch das soll jetzt zur Jahreswende seinen Abschluß finden. Ansonsten besteht das Fondsvermögen von 583,6 Mio. EUR nur noch aus Liquidität (596,5 Mio. EUR). Die dagegen zu saldierenden sonstigen Vermögensgegenstände (12,5 Mio. EUR) und die Verbindlichkeiten und Rückstellungen (26,5 Mio. EUR) haben dagegen nur noch ganz überschaubare Größenordnungen.

Zur weiteren Zeitachse erfährt man: “ … ist eine finale Auflösung des CS EUROREAL nicht vor dem Jahr 2029 zu erwarten. Nach aktueller Planung wird angestrebt, dass rund 50 bis 60 % des nach der Auszahlung im Dezember 2020 verbleibenden Fondsvermögens für die Geschäftsjahre 2020/2021 bis 2023/2024 ausgezahlt werden können.

In letztgenanntem Zeitraum sollen also bis zu 3,00 EUR pro Anteil an die Anleger zurückfließen. Bei einem Börsenkurs von aktuell etwas über 3,50 EUR sollte man auf Sicht von vier Jahren demnach 85 % seines Einsatzes zurückkriegen. Investments im CS Euroreal sind also kaum mehr ein Risiko, zumal die Durchsicht der ohnehin nur noch marginalen sonstigen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten nicht den Hauch eines möglichen Problems erkennen lässt. Im Gegenteil: Eine Rückstellung für Ertragsteuern im Ausland, die mit 21,9 Mio. EUR fast die gesamten mit 22,5 Mio. EUR gebildeten Rückstellungen ausmacht, lässt noch etwas Phantasie für eine später mögliche ertragswirksame Auflösung.

Ein Licht in dunklen Zeiten

Die CS Realwerte AG hat sich in ihrer Satzung zur Hilfeleistung für Flüchtlinge und Menschen ohne Obdach verpflichtet. Letztes Jahr kam dann bei uns der Gedanke auf: Die beste Hilfe für Flüchtlinge ist, die Lebenssituation vor Ort so zu verbessern, daß gar niemand mehr seine Heimat verlassen muß. Das führte uns über die Hilfsorganisation „Together“ in Kassel schließlich zu einem Medizinprojekt im Südwesten Ugandas. Der Projektantrag an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit beschreibt, worum es bei dem neuen Projekt von TORUDES (Together Rural Development Solidarity), einer ugandischen Selbsthilfeorganisation unter der Leitung von Bischof Aquirinus Bibira, geht:

Das Zielgebiet ist das Gemeindegebiet um Buryansungwe im Kamwenge District im Südwesten Ugandas, welches in den vergangenen 20 Jahren mit zahlreichen Bildungseinrichtungen für insgesamt 1.200 Schülerinnen und Schüler entwickelt wurde. Die medizinische Versorgung ist weiterhin unterentwickelt. So besitzt das Zielgebiet nur ein Krankenhaus, das seit Jahren seine Kapazitätsgrenze überschritten hat.

In Hinblick auf die entstandenen Bildungseinrichtungen und die angrenzenden Internate ist eine medizinische Versorgung der Schülerinnen und Schüler nicht gegeben. Zudem ist für die ca. 16.500 Bewohner des Gemeindegebietes eine mit sinnvollem Aufwand erreichbare medizinische Einrichtung einschließlich medizinischer Vorsorge und Mütterberatung nicht vorhanden sowie eine Betreuung schwer kranker Menschen nicht sichergestellt.

Das Health Centre wird eine medizinische Grundversorgung und alle notwendigen Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge der Zielgruppe sicherstellen. Gleichzeitig werden in enger Abstimmung mit dem weiter entfernten Krankenhaus erweiterte medizinische Leistungen wie ein Augen- und ein Zahnarzt angeboten. Der Projektträger TORUDES wird die Ambulanz  mit einem von der Zielgruppe finanzierten Konzept betreiben und so die Lebensfähigkeit des Projektes sicherstellen.

Angegliedert an die kirchlichen Schuleinrichtungen von St. Joseph mit ihren ca. 1.200 Schülerinnen und Schülern entstand im Manwenge District ein Medizinzentrum für die medizinische Grundversorgung. In einem Land, wo es weder eine gesetzliche Krankenversicherung noch Geld vom Staat für solche Einrichtungen gibt. „Selbsthilfe“ bedeutet in dem Fall: Die Bewohner der Region zahlen zur Deckung der Betriebskosten incl. Personalaufwand des Medizinzentrums monatlich an die Organisation TORUDES einen geringen und tragbaren Obulus (Erwachsene ca. 2 EUR/Monat, Schüler 1 EUR/Monat) und dürfen dafür die neu entstandenen medizinischen Einrichtungen in Anspruch nehmen. Nur zur Verdeutlichung der Relationen: Ein Arzt verdient in Uganda monatlich ungefähr umgerechnet 300 EUR.

Es hat dort halt alles ganz andere, für einen Deutschen gar nicht richtig vorstellbare Preisstrukturen. Deshalb konnte der ganze Bau des Medizinzentrums incl. Ausstattung mit Medizingerät für einen sechsstelligen Betrag durchgeführt werden – natürlich auch mit viel Eigenleistung von TORUDES- Freiwilligen.

75 % der Projektkosten kamen vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, das damit auch den Erfolg eines ähnlichen, vor drei Jahren an anderer Stelle von TORUDES realisierten Projektes würdigte. Der Rest aber musste als Eigenbeitrag erbracht werden – und diesen Eigenbeitrag hat vollständig die CS Realwerte AG zur Verfügung gestellt.

 

 

Unser „Urwaldkrankenhaus“ nähert sich jetzt seiner Fertigstellung. Schon zu Jahresbeginn soll der Probebetrieb aufgenommen werden. Die CS Realwerte AG und ihre Aktionäre können sehr stolz darauf sein, daß sie mit der Bereitstellung des notwendigen Eigenanteils zum Gelingen dieses wirklich herausragenden Projektes beitragen konnten. Denn hier verwirklicht sich tatsächlich das Konfuzius zugeschriebene Zitat: „Gib Menschen einen Fisch und du ernährst sie für einen Tag. Lehre sie fischen und du ernährst sie für das ganze Leben.“

Wir wünschen unseren Aktionären und allen treuen Lesern dieser Seite ein friedvolles und besinnliches Weihnachtsfest, einen guten Rutsch in’s Jahr 2 nach Corona und für das kommende Jahr alles Gute. In diesen Zeiten vor allem natürlich, daß Ihnen die Gesundheit erhalten bleibe. Bleiben Sie uns gewogen.

Alea iacta est

So, nun sind die Würfel für das zu Ende gehende Jahr endgültig gefallen. Auf der homepage der Verwahrstelle Commerzbank ist das natürlich noch nicht veröffentlicht (wie immer, denn wer käme denn auch auf die blöde Idee, dass Anleger schon drei Bankarbeitstage vor dem Ausschüttungstermin davon etwas erfahren sollten). Aber im Informationssystem des Commerzbank-Ablegers comdirect bank steht es seit heute früh drin: Am 16.12. schüttet der CS Euroreal pro Anteil 0,58 EUR aus. Das liegt im Rahmen unserer Erwartungen und wird uns in die Lage versetzen, kurz vor Jahresultimo zu immer noch sehr attraktiven Kursen gut 1 Mio. EUR zu reinvestieren.

Dem Kaiser, was des Kaisers ist …

Von Mai bis Oktober 2020 hatte die CS Realwerte AG das zweifelhafte Vergnügen eines nicht alltäglichen Besuchers: Betriebsprüfung durch das Finanzamt. Wobei, wir wollen uns da jetzt nicht zu sehr beschweren: Unser Prüfer ist ein blitzgescheiter geradliniger Mann mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten in seinem Beruf und hat eine ganz untadelige Arbeitseinstellung. Und er war während der ganzen Prüfung immer fair. Was dann auch dazu führte, dass wir uns in der Schlussbesprechung am 21.10.2020 in fast allen Punkten einvernehmlich verständigen konnten. Aber eben nur fast. Denn nachdem die Sache mit dem heutigen Posteingang des Berichts über die Außenprüfung jetzt ganz offiziell ist, haben wir für unsere Aktionäre eine gute und eine schlechte Nachricht.

Die gute Nachricht zuerst: Im Bereich der Ertragsteuern (Körperschaft- und Gewerbesteuer) hat der Prüfer lediglich moniert, dass wir in der Vergangenheit Anschaffungsnebenkosten (Börsenspesen und Maklercourtage) beim Kauf unserer Fondsanteile nicht mit aktiviert, sondern sofort als Aufwand gebucht haben. Mit diesem Einwand war zu rechnen. Hier gibt es also überschaubare Nachaktivierungen, deren Wirkung sich in der Zukunft aber dadurch wieder ausgleicht, daß dann der bei Schlußverwertung anfallende Kursgewinn um den gleichen Betrag niedriger ausfallen wird.

Darüber hinaus hatte der Prüfer an unserem Geschäftsmodell und der buchhalterischen und steuerlichen Behandlung unserer Geschäftsvorfälle nichts auszusetzen. Das ist für uns eine große Beruhigung, denn im Anschluß werden jetzt für alle Jahre bis einschließlich 2019 in den Steuerbescheiden die Vorbehalte der Nachprüfung aufgehoben, das heißt, die Steuerfestsetzungen werden bis einschließlich 2019 bestandsfest. Und neue Steuerfragen, die mit der Prüfung nicht schon abschließend abgesegnet wären, werden sich angesichts des weit fortgeschrittenen Reifegrades unseres Geschäftsmodells kaum noch ergeben können: Wir sitzen jetzt ja nur noch hier und warten auf die regelmäßigen Liquidationsausschüttungen unserer Fonds. Da kann man nichts mehr falsch buchen oder steuerlich fehlinterpretieren.

Die schlechte Nachricht: Das Finanzamt zieht unsere Berechtigung zum Vorsteuerabzug in Zweifel. Diese Frage kann man naturgemäß nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Spielraum für einen Kompromiß gibt es dabei nicht. Deshalb konnte in dieser Frage in der Schlußbesprechung auch kein Einvernehmen erzielt werden. Vielmehr müssen wir die in den Jahren bis 2019 von uns geltend gemachte Vorsteuer i.H.v. EUR 80.451,20 erst einmal an das Finanzamt zurückzahlen und die Grundsatzfrage anschließend im Rechtsbehelfsverfahren klären lassen. Ertragsteuerlich bedeutet diese Rückzahlung aber wieder ertragsmindernden Aufwand, d.h. das steuerliche Ergebnis wird per Saldo um diesen Betrag kleiner. Effektiv (nach Steuern) hat uns der Besuch des Prüfers also erst einmal gut 50 TEUR gekostet. Weniger wäre schöner gewesen, aber es wirft uns auch nicht um.

Des Kaisers neue Kleider

Onvista (heute zu comdirect gehörend) ist eine prima Informationsplattform, die der Verfasser dieser Zeilen gerne mehrmals täglich nutzt, um bei unseren Fonds über Kurse, Angebot und Nachfrage stets informiert zu sein. Da reinzuschauen ist auch für Nicht-Kunden kostenlos, aber halt um den überall üblichen Preis, dass man während der Session permanent mit Werbung zugedröhnt wird.

Normaler Weise nimmt man den ganzen Begleit-Schmutz überhaupt nicht zur Kenntnis. Doch vor zwei Wochen stutzte der Verfasser dieser Zeilen dann doch. Der Bitcoin war gerade auf neuen Höchstkursen. Und ein Werbetreibender, den ganzen Rummel für sich nutzend, machte sich auf Onvista anheischig, zum Bitcoin Research zu liefern.

Das ganze wurde am gleichen Tag noch verschlimmert dadurch, dass in einem Telefonat mit einem unserer Aufsichtsräte derselbe den Verfasser dieser Zeilen doch tatsächlich fragte, ob er denn auch schon mal was mit Bitcoin gemacht habe und was er davon halte. Besagter Verfasser beschied den Anfragenden, eher würde er sich die Hand abhacken als dass er anfangen würde in Bitcoin Geld zu stecken. Der Begriff „investieren“ mag in dem Zusammenhang noch nicht einmal über die Lippen zu kommen – denn „investieren“ wäre ja eine vernunftgesteuerte Handlung, für die man rationale Gründe vorbringen könnte.

Allerdings hat der unbestreitbar sehr gealterte Verfasser dieser Zeilen auch noch verklärte aus den 1970er und 1980er Jahren stammende Vorstellungen, was die Natur von Research und die davon zu erwartende Qualität angeht. Er ist es gewohnt, Fakten herauszufinden und auf deren Basis Analysen zu machen. Wenn ich die Abfüllkapazität eines Mineralbrunnens kenne und weiß, zu welchem Durchschnittspreis die Rülpsbrause üblicher Weise verkauft wird, dann finde ich so heraus, wie hoch allerhöchstens der Umsatz ausfallen kann. Multipliziert mit der Umsatzrendite kriege ich dann eine Vorstellung, was die so analysierte Bude im besten Fall verdienen könnte. Doch was für Fakten könnte man beim Bitcoin herausfinden, die ein seriöses Research ermöglichen, das über den berühmten Blick in die Kristallkugel qualitativ hinausgeht?

Ich finde keine, und wenn man sich dieses sogenannte Research anschaut, dann ist es auch nichts weiter als der Versuch, aus vergangenen Entwicklungen und der Markttechnik eine Prognose abzuleiten, wie sich der Kurs vielleicht entwickeln könnte. Wenn nicht neue Einflußfaktoren dazu kommen. Und dass das eigentlich immer und überall passiert, das dürfen wir ja gerade anhand einer ganz speziellen und noch vor einem Jahr von niemandem ernsthaft erwarteten Situation lernen.

Man verzeihe dem Verfasser dieser Zeilen, dass er als gelernter Finanzhistoriker zum Thema Bitcoin eine unzweideutige Meinung hat: Der Bitcoin ist die Tulpenzwiebel des 21. Jahrhunderts. Sein vorgeblicher „Wert“ ist nicht rational zu begründen, sondern begründet sich ausschließlich in der Überzeugung heutiger Käufer, dass morgen ein noch größerer Idiot aufstehen und einen noch höheren Preis bezahlen wird. Angst und Gier – zumindestens mal als Spiegelbild dieser Grundstimmungen eines jeden Kapitalanlegers taugt ein Blick auf den Bitcoin-Kurschart dann doch.

Zu mehr aber auch nicht. Zu diesem rein virtuellen Phänomen eine realwirtschaftliche Basis erkennen zu wollen, die Grundlage für ein seriöses Research liefern könnte: Das ist ungefähr genau so als wie wenn jemand einen wissenschaftlichen Artikel über die isolierende Wirkung der Kleidung eines nackten Mannes abliefern würde.

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