Schönreden

Was für ein Unterschied: Das eine Land auf Gottes Erdboden hat einen Präsidenten, dem kein Fettnäpfchen zu unbedeutend ist, um nicht doch hineinzutreten. Ein anderes Land, Sie wissen welches gemeint ist, versucht systematisch mit sprachlicher Verstellung die seit Jahrtausenden unabänderlichen Widrigkeiten des menschlichen Lebens wegzulügen.

Einem Behinderten hilft es bei seinem bedauernswerten Schicksal nicht das Geringste, wenn ihn ein deutscher Radiosender nicht als solchen bezeichnet, sondern als „Menschen mit erhöhtem individuellen Unterstützungsbedarf“. 373 % mehr Buchstaben für ein und denselben Sachverhalt im Bemühen um extraordinäre politische Korrektheit. Spätestens bei Benennung des Sachverhalts zwecks Beschilderung eines Behinderten-Parkplatzes würde sich wahrscheinlich auch die politisch korrekteste deutsche Behörde doch für den bislang gebräuchlichen Begriff entscheiden, um kein drei Quadratmeter großes Schild aufstellen zu müssen, nebst Leseanleitung, wie der gestresste deutsche Automobilist den Text zu verstehen hat.

So geschehen heute vormittag auf Radio 38, welchem der Verfasser dieser Zeilen gezwungener Maßen lauschen musste auf dem Weg zum Wochenmarkt in Braunschweig, wo die Weihnachtsgans für die morgige Familienfeier abzuholen war. „Kinder mit und ohne erhöhtem individuellen Unterstützungsbedarf“, so erfuhr der staunende Zuhörer, wurden in einem Inklusions-Kindergarten in Salzgitter-Gebhardshagen vom Jugendparlament der Stadt beschenkt. Auf den Straßen war denkbar wenig los, im innerstädtischen Parkhaus kaum 20 % der Parkplätze belegt. Der Verfasser dieser Zeilen hatte also in Ermangelung einer von anderen Verkehrsteilnehmern geforderten Aufmerksamkeit ausreichend Muße, bei Fahren über „Menschen mit erhöhtem individuellen Unterstützungsbedarf“ zu sinnieren.

Wo soll das in unserer Gesellschaft denn bloß hinführen, wenn wir so weitermachen und Sprache benutzen, um Unangenehmes einfach zuzukleistern? Das ist doch eine zutiefst kindliche Gewohnheit, einfach die Augen zu schließen und dann zu glauben, alles Schlechte in dieser Welt wäre damit verschwunden.

Zukünftig sind Menschen nicht mehr krank. Es sind „Menschen mit erhöhtem individuellen Genesungsbedarf“.

Zukünftig sind Menschen nicht mehr dumm. Es sind „Menschen mit erhöhtem individuellen Erklärungsbedarf“.

Zukünftig sind Menschen auch nicht mehr arm. Es sind „Menschen mit individuell erhöhtem externen Mittelbedarf“.

Zukünftig sind Menschen schon gar nicht mehr böse. Es sind „Menschen mit individuell erhöhtem Gutmenschbedarf“.

Zukünftig, und das ist jetzt das wirklich Tolle an dieser Methode, gibt es in Deutschland auch keine Links- oder Rechtsradikalen mehr oder sonstige Extremisten fremdländischer Glaubensrichtungen. Das sind doch einfach nur „Menschen mit eingeschränkter individueller Weltsicht“. Um die muß sich nur, mit sinnvoller textlicher Gestaltung entsprechend begleitet, das Jugendparlament der Stadt Salzgitter kümmern, und schon ist das Problem keines mehr.

So hat sich der Verfasser dieser Zeilen gegen Ende dieses Vormittags leichten Herzens entschlossen, auch im nächsten Jahr seine eher provokante Sprache weiter zu pflegen. Politisch korrekt sollen einfach mal andere machen. Zumal unser Braunschweiger Wochenmarkt alles andere ist, nur nicht die Quelle gepflegter deutscher Prosa. Bei den regelmäßigen Wochenmarkteinkäufen hat sich das Frozzeln mit den Verkäuferinnen, Verkäufern und Verkäuflingen/divers (pardon, so viel Zeit musste jetzt doch sein), die der Verfasser dieser Zeilen teilweise schon jahrzehntelang kennt, zum echten Kult entwickelt.

Ältere Dame mit Federhütchen: „Ich hätte gern zwei Entenbrüste.“ Schon mehrfach zitierte Geflügelverkäuferin meines Vertrauens: „Aber gnädige Frau! Meinen Sie das steht Ihnen?“

In dem Sinne wünscht der Verfasser dieser Zeilen der hoch verehrten Leserschaft frohe und besinnliche Festtage. Machen Sie’s gut, bis zum nächsten Jahr.

Achterbahn

Die größte Enttäuschung auf dem Gebiet abwickelnder Offener Immobilienfonds war im Jahr 2019 ohne Zweifel der CS Euroreal.

Alle neun restlichen Objekte (Verkehrswerte zu Jahresbeginn in Klammern, in Summe 490 Mio. EUR), mit denen er in das Jahr gestartet war, sind inzwischen verkauft. Die beiden Bürogebäude in Lissabon (103 Mio. EUR) brachten erwartungsgemäß einen Preis oberhalb des Verkehrswertes. Die drei französischen Objekte in Lyon und Toulouse (82 Mio. EUR) brachten nach einem monatelangen Verwirrspiel (sind sie nun verkauft oder nicht?) mit 68 Mio. EUR sogar etwas mehr als von uns erwartet – allerdings eines viel, viel besser und dafür ein anderes viel, viel schlechter als gedacht. Die Rathaus-Galerie in Essen (123 Mio. EUR) wurde erst noch mal weiter abgewertet und schließlich im September für 86 Mio. EUR verkauft – kaum mehr war am Ende angesichts der unsicheren Lage in diesem Marktsegment noch zu erwarten. Eine Katastrophe mit Ansage (wo wir unsere internen Erwartungen dann schon entsprechend heruntergeschraubt hatten) wurde das Einkaufszentrum im tschechischen Olmütz (56 Mio. EUR), das man schließlich für 12 Mio. EUR verschleudern musste. Danach blieben noch die beiden Einkaufszentren in Italien (54 bzw. 25 Mio. EUR). Deren am Ende grottenschlechten Verkäufe hatten wir hier erst vor wenigen Tagen berichten müssen.

In Summe bleibt also die Tatsache, daß man Objekte, die zu Jahresbeginn angeblich noch 443 Mio. EUR wert waren (und unter diese Werte setzen alle 12 Monate sogenannte „unabhängige Sachverständigenausschüsse“ ihr Siegel) im Jahresverlauf für nicht einmal 300 Mio. EUR verkaufte. Verwaltungsgebühren wurden von der Commerzbank als Verwahrstelle natürlich die meiste Zeit noch fröhlich auf Werte berechnet, die sich am Ende als deutlich überhöht erwiesen …

Die Achterbahnfahrt, die der Anteilwert des CS Euroreal daraufhin gerade in den letzten paar Tagen noch hinlegte, ist schon beeindruckend:

Per 12.12. gab es nach dem Verkauf des Einkaufszentrums in Kalabrien einen Rückgang um 0,18 EUR = 2,5 % von 7,08 EUR auf 6,90 EUR.

Per 17.12. ein weiterer Rückgang nach Verkauf des Einkaufszentrums bei Mailand um 0,33 EUR = 4,8 % von 6,90 EUR auf 6,57 EUR.

Am 18.12. erfolgte der Ausschüttungs-Abschlag von 0,97 EUR, neuer Anteilpreis also 5,60 EUR.

Per 19.12. plötzlich wieder ein (bisher nicht erklärter *) Anstieg um 0,05 EUR = 0,9 % von 5,60 EUR auf 5,65 EUR.

Obwohl inzwischen alle Immobilien verkauft sind, bleibt der CS Euroreal also noch für einige Zeit ein Zahlenrätsel mit etlichen Unbekannten. So könnte z.B. der vorgestrige Anstieg um 5 cent (was als absoluter Betrag in Summe auch 5 Mio. EUR sind) eine Rückstellungsauflösung gewesen sein. In das neue Geschäftsjahr 2018/19 gestartet war der CS Euroreal nämlich noch mit Rückstellungen von mehr als 100 Mio. EUR – eine mehr als satte Quote angesichts eines Immobilienvermögens von zu diesem Zeitpunkt nur noch 611 Mio. EUR.

Jedenfalls soweit es aus den offiziellen Verlautbarungen ersichtlich wurde hatte man von diesen Rückstellungen (mit entsprechend positiven Wirkungen auf den Anteilwert) 10 Mio. EUR per 28.12.2018 und weitere 7 Mio. EUR im Rahmen diverser Jahresabschlußbuchungen per 30.09.2019 aufgelöst.

Bleiben also nach den bisher bekannten Daten noch 100 Mio. EUR – Genaueres werden wir in wenigen Tagen erfahren, wenn der (innerhalb von drei Monaten zu publizierende) Abwicklungsbericht per 30.09.2019 veröffentlicht ist. So viele Rückstellungen braucht aber, jedenfalls mit gesundem Menschenverstand betrachtet, ein inzwischen immobilienfreier Fonds gewiß nicht mehr. Man kann also hoffen, daß wir nach weiteren Rückstellungsauflösungen im Neuen Jahr noch den einen oder anderen Groschen Anstieg des Anteilwertes sehen werden.

Zumal die diversen in der Fonds-Betreuung tätigen Abteilungen bei Credit Suisse / Commerzbank erkennbar asynchron arbeiten: Auch beim Schwesterfonds CS Property Dynamic hatte es dieses Jahr nach einem schlechter als erwartet ausgefallenen Objektverkauf erst einmal ordentliche Anteilwertverluste gegeben – dann setzten sich die Buchhalter gemächlich in Bewegung, lösten einige nach dem Verkauf nicht mehr benötigte Rückstellungen auf, und, schwuppdiwupp, am Ende hatte der Anteilwert einen erheblichen Teil der vorherigen Verluste wieder aufgeholt.

 

  • Erklärung für den Anteilwert-Anstieg um 5 cent wurde am 23.12. veröffentlicht: „Ursache für diese Änderung des Anteilwertes war die Erstattung eines Teils der beim Übergang der letzten drei französischen Immobilien auf die Verwahrstelle angefallenen Grunderwerbsteuer.“

SEB ImmoInvest: Bescherung

Ein bißchen müssen wir Abbitte tun, daß wir den SEB ImmoInvest hier meistens ziemlich schlecht haben wegkommen lassen.

Denn zum einen (siehe voriger Beitrag) haben sie ihr letztes USA-Objekt am Ende doch wesentlich besser verkauft als wir ihnen zugetraut hatten. Zum anderen aber unterscheidet sich das Ausschüttungsverhalten des SEB ImmoInvest deutlich von dem der beiden anderen (man muß inzwischen beinahe sagen: leider) von uns bevorzugten Fonds aus dem Trio der „Big Three“.

Während ein CS Euroreal und ein KanAm grundinvest (deren Ausschüttungshöhe im Dezember 2019 in beiden Fällen sehr enttäuschend war) sich scheinbar die Taschen zugenäht haben, glänzt ein SEB ImmoInvest durch Großzügigkeit und kündigte gestern für den 30.12.2019 eine Ausschüttung von 2,60 EUR je Anteil an. Das ist auf einen Schlag die Hälfte des gesamten restlichen Fondsvermögens. Wörtlich heißt es dazu im Newsletter:

„Die Liquidität für die Ausschüttung stammt aus zwei Quellen: aus den Transaktionen der letzten Monate sowie aus einer veränderten Risikosituation und dem Freiwerden vorhandener Liquidität. Mit der Zeit verringern sich die Risiken aus den zahlreichen vergangenen Verkäufen, Steueransprüche verjähren und Objektgesellschaften können aufgelöst werden. Diese Liquidität wird dann an die Anleger ausgekehrt.“

Den anderen beiden zur Nachahmung sehr empfohlen …

Ein Entenpärchen und zwei Eichhörnchen …

… war alles, was uns auf der Straße begegnete, als wir vor knapp zwei Jahren das dem SEB ImmoInvest gehörende Bürogebäude in Herndon (eine ziemlich seelenlose suburb der US-Hauptstadt Washington) besichtigten. Keine Menschen, keine Mieter, nur ein übervoller Bauschutt-Container. Entsprechend negativ fiel unsere Einschätzung aus: Bei einem letzten Verkehrswert von 18,3 Mio. EUR hatten wir dem Objekt nur noch einen Verkaufserlös von 12 Mio. EUR zugetraut.

Umso größer heute die Überraschung: Vor wenigen Minuten meldet Savills Fund Management, daß man Herndon „leicht über dem zuletzt festgestellten Verkehrswert“ verkaufen konnte. Glückwunsch. Ausgerechnet vom SEB ImmoInvest hatten wir eine versöhnliche Nachricht zum Jahresausklang nun wirklich nicht erwartet.

Gute Leute, schlechte Leute

Erst vor wenigen Tagen hatten wir hier auf einen Bericht im „Handelsblatt“ Bezug genommen, der sich mit dem „Superzyklus am Immobilienmarkt“ beschäftigte. Darin waren wir zu dem Schluß gekommen, daß es „den Immobilienmarkt“ gar nicht gibt. Man betrachtet vielmehr ein riesiges Sammelsurium sehr guter, guter, mittelmäßiger und schlechter Objekte, also ein vollkommen heterogenes Gebilde, das kaum dazu taugt, dessen Entwicklung auf eine einzige Trendaussage zu komprimieren. Der Anleger, der das Pech hatte, daß sein Fonds sich auf eher mittelmäßige oder schlechte Objekte kapriziert hatte, hat von einem Superzyklus am Immobilienmarkt nicht das Geringste.

Im SEB ImmoInvest (4 Restobjekte) waren wir nach wie vor nicht investiert, also starteten wir in das IV. Quartal 2019 mit insgesamt noch 4 Restobjekten in unseren beiden schwergewichtigen Fonds (CS Euroreal und KanAm grundinvest, jeweils noch 2 Objekte). Diese 4 Restobjekte hatten Verkehrswerte von insgesamt 166 Mio. EUR. Verkauft wurden sie im November/Dezember 2019 für zusammen ca. 165 Mio. EUR, also praktisch genau zu den letzten Verkehrswerten. Im Schnitt jedenfalls. Das ist aber wie mit der statistischen Betrachtung von Lebenserwartungen: Wenn einer 50 Jahre alt werden soll, und der andere 100, dann sind beide mit 75 im Schnitt tot …

Bei unseren Fonds liest sich das dann so: Der CS Euroreal hat seine letzten beiden Objekte (letzte Verkehrswerte: 79 Mio. EUR) für zusammen 29 Mio. EUR verkauft. Der KanAm grundinvest hat seine letzten beiden Objekte (letzte Verkehrswerte: 87 Mio. EUR) für geschätzte 136 Mio. EUR verkauft. Nun ist das für uns kein Grund, sich groß aufzuregen, denn wir sind in beiden Fonds etwa gleich stark gewichtet. Der Mißerfolg des einen wird folglich durch den besonderen Erfolg des anderen weitgehend ausnivelliert.

Dennoch machen die Ereignisse in den letzten paar Tagen eines noch mal ganz deutlich: Es gibt nicht nur sehr gute, gute, mittelmäßige und schlechte Immobilien. Nein, es gibt auch (und das macht die Sache für den ahnungslosen Anleger nicht gerade einfacher) sehr gute, gute, mittelmäßige und schlechte Immobilienexperten. Schauen Sie also ruhig genau hin, wem Sie Ihr Geld anvertrauen. Auch wenn es eine angeblich bombensichere Immobilien-Anlage („Betongold“) ist, bei der man im ersten Moment meint, doch gar nichts falsch machen zu können.

 

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