Die Pfennigfuchser
Das Geschäft mit Anlagen in abwickelnden Offenen Immobilienfonds betreiben wir seit nunmehr 5 Jahren. Der Jahrestag unseres Arbeitsbeginns ist immer auch ein guter Anlaß zum Rückblick. Was hatten wir am Anfang für Erwartungen? Haben sie sich erfüllt? Welche Entwicklungen haben wir vorausgesehen? Ist es so gekommen? Welche ganz unerwarteten Überraschungen haben uns in den Jahren unserer Geschäftstätigkeit vor zusätzliche Aufgaben gestellt?
Eine erschöpfende Antwort auf alle diese Fragen würde fast ein ganzes Buch füllen. Deshalb nur ganz generell: Ja, unsere Erwartungen haben sich erfüllt. Nur meistens anders als wir gedacht hatten. Und ja, in finanzieller Hinsicht haben sich unsere Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sie wurden weit übertroffen.
Die Entwicklungen? Ja, einige Entwicklungen hatten wir richtig vorausgesehen. Zum Beispiel den ganz normalen zyklischen Verlauf der Immobilienmärkte mit der schon damals (wenn auch längst nicht im später eingetretenen Umfang) vorhersehbaren Erholung und dem uns zu Gute kommenden Preisanstieg am Immobilienmarkt. In anderen Fällen lagen wir eher falsch. Zum Beispiel in der Frage, über welche Zeitspanne sich die Abwicklung der Fonds und die Restauszahlungen erstrecken würden. Da haben wir uns um Jahre verschätzt.
Überraschungen? Ja, auch die gab es zur Genüge. Die größte Überraschung war beispielsweise ab dem Jahr 2016 die Tatsache, daß Dachfonds ohne Rücksicht auf Verluste ihre Zielfondsbestände durch Verkäufe über die Börse zu verschleudern begannen. Die dadurch über längere Zeiten verursachte irrational negative Kursentwicklung hat uns damals mehr als nur eine schlaflose Nacht bereitet. Nachdem wir uns aber erst einmal auf die Situation eingestellt hatten, brachte uns diese anfängliche Überraschung später sensationell gute Einkaufsmöglichkeiten, mit denen wir zuvor ebenfalls nicht hatten rechnen können.
Wie geht es nun weiter? Grundsätzlich, so hatten wir uns kürzlich ja bereits geäußert, glauben wir, unser Geschäft noch bis Ende 2019 / Mitte 2020 im wesentlichen unverändert weiterbetreiben zu können. Dazu gehört vor allem, daß wir in den nächsten 12-18 Monaten uns zufließende Ausschüttungen weiterhin voll reinvestieren wollen.
Hier ist aber als mögliche Limitierung immer zu beachten, daß das von uns adressierbare Marktvolumen (d.h. der Börsenwert aller abwickelnden Fonds) durch die permanenten Substanzausschüttungen immer weiter schrumpft. Wie dramatisch diese Entwicklung im Einzelfall ausfallen kann, möchten wir Ihnen am Beispiel des AXA Immoselect erläutern.
Zu Beginn unserer Geschäftstätigkeit vor 5 Jahren betrug das Fondsvolumen noch 790,4 Mio. EUR. Am 01.05.2017, also zu Beginn des Fonds-Geschäftsjahres 2017/18, waren es noch 251,7 Mio. EUR. Bis zum Ende des Geschäftsjahres schnurrte das auf 44,4 Mio. EUR zusammen. Heute, nach einer weiteren Ausschüttung im Juli 2018, beträgt es noch 25,9 Mio. EUR. Innerhalb von wenig mehr als einem Jahr hat sich das Volumen also gezehntelt, und in den letzten 5 Jahren ist es um nicht weniger als 97 % geschrumpft.
Spiegelbildlich zeigt sich das in unserem Depotbestand. Angefangen haben wir im Herbst 2014 beim AXA Immoselect mit 10.000 Stück. Heute nennen wir 2.350.000 Anteile unser eigen. Mit 4,9 % Anteilsbesitz dürften wir heute der größte Anteilseigner des AXA Immoselect sein.
Eine Entwicklung, die stückzahlmäßig gewaltig aussieht, reduziert sich bei Betrachtung der absoluten von uns investierten Beträge wieder auf Normalmaß. Als wir im Herbst 2014 anfingen, Anteile am AXA Immoselect zu kaufen, lag der Rücknahmepreis (= Netto-Inventar-Wert) noch bei 16,47 EUR und der Börsenkurs bei 11,25 EUR. Die Differenz von 5,22 EUR war das Objekt unserer Begierde. Die Frage war nur: Schmilzt die Differenz durch Abwertungen und schlechte Verkäufe zusammen, oder war sie das Potential für eine kontinuierliche Wertaufholung? Mit anderen Worten: Nähert sich durch Wertverluste der Rücknahmepreis von oben dem Börsenkurs nach unten an? Oder nähert sich durch Wertaufholungen der Börsenkurs von unten dem Rücknahmepreis nach oben an?
Die Wahrheit liegt ziemlich in der Mitte. So brilliant war die Abwicklungsleistung des AXA Immoselect nämlich nicht, d.h. im Laufe der Jahre sind schon gut 2,00 EUR pro Anteil dadurch verloren gegangen, daß die urspünglichen Verkehrswerte der Fondsobjekte beim Verkauf meist nicht erreicht wurden. Der etwas größere Rest der Ursprungsdifferenz wurde für uns aber tatsächlich zur ergebniswirksamen Wertaufholung. Heute beträgt die Differenz zwischen Börsenkurs (0,49 EUR) und Rücknahmewert (0,54 EUR) nämlich gerade noch 0,05 EUR!
Es stellt sich an dieser Stelle die berechtigte Frage: Lohnt es denn überhaupt noch, den restlichen paar Pfennigen weiter hinterherzujagen?
Damit kommen wir zu einem weiteren Punkt, wo wir zu Beginn unserer geschäftlichen Entwicklung ein klein wenig danebenlagen. Und das sind die Rückstellungen. Wir hatten relativ früh gelernt, daß die Fonds ihre Rückstellungen übervorsichtig bilden und daß am Ende höchstens ein Drittel der zurückgestellten Beträge tatsächlich relevant wurde. Der Rest war ergebniswirksam aufzulösen, was den Rücknahmewert entsprechend erhöhen würde. Dies, so glaubten wir, würde in einigen Jahren für uns der hauptsächliche Ergebnistreiber sein. Damit lagen wir daneben. Und zwar deswegen, weil die Fondsvolumina inzwischen so zusammengeschrumpft sind, daß die Rückstellungen in Prozent zwar immer noch gewaltig aussehen, in absoluten Beträgen dagegen eher mickrig wirken.
Dennoch verknüpft sich dies am Ende wieder mit der Frage, ob es sich lohnt, den restlichen paar Pfennigen hinterherzujagen. Und auch dies lässt sich am Beispiel des AXA Immoselect erklären.
Bei einem Rücknahmewert von 0,54 EUR und einem Börsenkurs von 0,49 EUR hat der Fonds für den unbefangenen Betrachter nur noch ein Wertaufholungspotential von gut 10 %. Das wäre uns nach den unverändert bestehenden Anforderungen unserer Risikopolitik eigentlich zu wenig. Schon vor Jahren hatten wir festgelegt: 20 % sollten es schon sein, sonst ist das Chance-/Risiko-Verhältnis einfach zu dünn.
Nun muß man aber wissen: Bei einem Fondsvolumen von heute nur noch 25,9 Mio. EUR hat der AXA Immoselect immer noch 3,1 Mio. EUR an Rückstellungen. Der Löwenanteil davon (knapp 2,5 Mio. EUR) ist eine Rückstellung für spanische Grunderwerbsteuer. Der Betrachter reibt sich verwundert die Augen und fragt sich: Wie das? Die drei spanischen Immobilien, ein Einkaufszentrum in Albacete sowie ein Logistikzentrum und ein Freizeitkomplex in Madrid, wurden doch bereits im Juli/Aug. 2014 bzw. Mai 2016 für zusammen knapp 60 Mio. EUR verkauft. Und die (von Provinz zu Provinz in der Höhe sehr unterschiedliche) Grunderwertsteuer beträgt in Madrid 6 %. Wieso müssen da jetzt noch gut 4 % der addierten Verkaufspreise aller drei Objekte zurückgestellt sein?
An der Stelle lohnt sich dann ein Blick in das spanische Grunderwerbsteuerrecht:
Bemessungsgrundlage für die Steuer ist der Verkehrswert der Immobilie. Liegt der tatsächlich bezahlte Kaufpreis über dem Verkehrswert, ist dieser maßgeblich. Ist der beurkundete Kaufpreis geringer als der Verkehrswert, muss mit einer Überprüfung durch die spanischen Steuerbehörden gerechnet werden. Die Überprüfung erfolgt in der Regel anhand abstrakter Kriterien, insbesondere dem Katasterwert (valor catastral) und dem Multiplikation-Koeffizienten (coeficiente multiplicador). Kommen die Finanzbehörden zu dem Ergebnis, dass die erklärte und gezahlte Steuer zu niedrig ist, wird der Differenzbetrag nach Anhörung nebst Sanktionen und Zinsen durch Bescheid festgesetzt.
Hier liegt der Hase im Pfeffer. Oder genauer gesagt: In Albacete. Das dort verkaufte Einkaufszentrum führte der Fonds im Bestand nämlich zuletzt noch mit einem Verkehrswert von 29,1 Mio. EUR, verkauft wurde es im Juli 2014 aber für grottenschlechte 11,5 Mio. EUR. Da ist also der Fall der möglichen Überprüfung durch die spanischen Steuerbehörden eingetreten, weil der beurkundete Kaufpreis möglicher Weise mehr als deutlich unter dem Verkehrswert lag.
Andererseits muß man sich fragen: Wenn der Fall so offensichtlich wäre, hätte es dann nicht längst eine geänderte Steuerfestsetzung durch die spanischen Finanzbehörden gegeben? Aus der Tatsache, daß da bis heute nichts passiert ist, schließt der eine oder andere, daß da auch nichts mehr passieren wird. Und der eine oder andere glaubt auch, daß wir diese Rückstellung im nächsten Abwicklungsbericht zum 30.04.2019 nicht mehr wiederfinden werden.
Wäre das der Fall, dann würde die Rückstellungsauflösung auf den Rücknahmewert einen positiven Effekt von 0,05 EUR pro Anteil haben, d.h. danach kämen wir auf einen Rücknahmewert von 0,59 statt bisher 0,54 EUR. Und das wäre im Vergleich zum Börsenkurs dann wieder ein Wertaufholungspotential von gut 20 % anstatt der heute sichtbaren 10 %.
Der Pfennigfuchser rechnet nun noch weiter: Der AXA Immoselect (bzw. die ihn verwaltende Caceis Bank) hat sich bisher ausnehmend ausschüttungsfreudig gezeigt. Die letzten drei Verkäufe sind jetzt etwa ein Jahr her, und nach einem Jahr reduzieren sich erfahrungsgemäß die Liquiditätseinbehalte für mögliche Risiken aus getätigten Verkäufen deutlich. Könnte doch möglich sein, daß der AXA Immoselect bei seiner turnusgemäß im Dez. 2018 anstehenden Ausschüttung noch einmal 0,20 EUR pro Anteil verteilt?
Danach hätten wir dann, auf Sicht zwei Monate, vielleicht einen Rücknahmewert von 0,39 EUR und einen Börsenkurs von 0,29 EUR? Dann wäre das Wertaufholungspotential, bei eigentlich unverändertem Börsenkurs, plötzlich nicht mehr 10 %, sondern über 30 %?
Kann so kommen, muß nicht so kommen. Wenn wir das in einem Jahr noch einmal Revue passieren lassen, werden wir wahrscheinlich genau wie schon in den ersten paar Absätzen dieses Beitrages zu der Erkenntnis kommen: Planung ist der Ersatz des unkontrollierbaren Zufalls durch den nachvollziehbaren Irrtum. Sollten wir uns geirrt haben, was wir schon in ein paar Monaten erfahren werden, dann können wir die im letzten Monat hinzuerworbenen Anteile am AXA Immoselect ja wieder verkaufen …
Wir hoffen, daß wir Ihnen mit dieser ausführlichen Darstellung mal wieder einen guten und auch tiefen Einblick in die Denk- und Entscheidungsprozesse geben konnten, die unser Geschäftsmodell so mit sich bringt.
Categories: Neuigkeiten