Nützliche Ausgaben

Als der Verfasser dieser Zeilen noch etwas Vernünftiges arbeitete, wurde er im zarten Alter von 27 Jahren auch mal Leiter der Finanzabteilung eines Maschinen- und Anlagenbauers mit damals noch 4.000 Beschäftigten. In dieser Funktion gehörte er zu dem handverlesenen Kreis von vier Mitarbeitern, die von der Existenz eines ganz speziellen Bankkontos wussten (und darüber verfügen durften), über das sogenannte „Nützliche Ausgaben“ abgewickelt wurden. Man darf das ohne Scheu öffentlich sagen, denn damals war die Zahlung von Bestechungsgeldern bei einem internationalen Anlagenbauer nicht nur weltweit gang und gäbe, sondern sogar ganz offiziell steuerlich abzugsfähig.

Wer da heute Zeter und Mordio schreit, muß die damaligen Zeitumstände berücksichtigen. Für einen Historiker selbstverständlich, für manchen kurzfristig und ohne Gedächtnis agierenden Politiker manchmal leider nicht. Dabei lohnt sich meist schon ein Blick zurück in die Geschichte, wenn man den Wandel gesellschaftlicher Wertvorstellungen begreifen will. So wurde in Deutschland zum Beispiel das im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerte Züchtigungsrecht des Ehemannes gegenüber seiner Frau (erst) 1928 abgeschafft. Noch viel ärmer dran waren lange Zeit Homosexuelle: Im Mai 1871 stellte der § 175 StGB sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts im ganzen Kaiserreich unter Strafe. Erst 1969 wurde gleichgeschlechtlicher sexueller Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland legalisiert – die polizeiliche Datensammlung von Homosexuellen in den sog. „Rosa Listen“ jedoch weiter fortgesetzt. Und das besonders schlechte Gedächtnis der meisten Linken-Politiker möchte man gern noch einmal daran erinnern, daß in der DDR die Strafbarkeit von Homosexualität von der Volkskammer sogar erst 1989 abgeschafft wurde – kurz bevor sich der Laden selbst auflöste.

Zurück zum Thema „Nützliche Ausgaben“, und nur colorandum causa erwähnt: Nur wenige Mächtige dieser Welt waren damals so bescheuert, sich direkt bestechen zu lassen. Es gab viel subtilere Methoden. Nehmen wir zum Beispiel Muammar al-Gaddafi. Nach außen predigte er materielle Armut und die Weltrevolution, aber ansonsten war er doch nur ein ganz normaler Mensch. Also bestechlich. Allerdings gab man ihm nicht einfach Geld. Es war vielmehr so, daß die Unterzeichnung von Anlagenbauverträgen im libyschen Staatsfernsehen live übertragen wurde. Und für diese Live-Übertragung musste man sich der Dienste einer libyschen Filmproduktionsfirma bedienen. Die zufällig einem der Gaddafi-Söhne gehörte, zufälligerweise betrugen die Filmproduktionskosten immer 5 % des Auftragswertes, und rein zufällig hatte diese Firma ihr Bankkonto auch nicht in Libyen, sondern in der Schweiz.

Nach diesem ellenlangen und höchst überflüssigen Eintrag in Ihr Lexikon des unnützen Wissens kommt der Verfasser dieser Zeilen nun endlich zu dem Anlaß, der ihn zu der Erinnerung an die (hoffentlich) inzwischen untergegangene Welt der „Nützlichen Ausgaben“ inspirierte. Das war nämlich folgende Anfrage eines Aktionärs der CS Realwerte AG:

„Hinsichtlich der CS Realwerte habe ich eine Frage die mir der Geschäftsbericht nicht beantwortet: wieviel kostet der überflüssige Luxus eines Abschlußprüfers? Da die CS Realwerte unbestritten weniger komplex aufgestellt ist als beispielsweise die Wirecard AG und ich Ihnen zudem voll vertraue, ist jeder Cent für einen Abschlussprüfer hinausgeworfenes Geld.“

Das ist so eine Frage, die unsere Aktionäre vielleicht auch allgemein interessiert, weshalb wir die Antwort gern öffentlich geben:

a) Die Mehrkosten der Abschlußprüfung gegenüber der (bisher praktizierten) Abschlußerstellung durch PKF betragen 5.000 EUR.

b) Hinausgeworfenes Geld ist es nicht, weil: Unsere Geschäftsentwicklungsplanung sieht vor, unseren Aktionären nach Erfüllung unserer Mission ihr Geld zurückzugeben in der Form, daß zunächst Rücklagen in der steuerlich weitestmöglichen Form in Grundkapital umgewandelt werden und sodann zum Zwecke der Rückzahlung an die Aktionäre eine Kapitalherabsetzung auf den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbetrag von 50.000 EUR erfolgt. Für die als ersten Schritt vorzunehmende Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist aber zwingend ein geprüfter Abschluß Voraussetzung. Das ist der alleinige Grund, warum wir das in 2018 und 2019 so machen (müssen).

Die paar Extra-Piepen für unseren Wirtschaftsprüfer sind also auch so etwas wie eine „nützliche Ausgabe“. Sonst kriegen Sie nämlich Ihr Geld nicht so ohne weiteres zurück. Aber wir sind halt von der altmodischen Sorte: Versprochen ist versprochen.

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