Tena Men – volle Kontrolle
Viel schneller als ich dachte hat der Algorithmus der betreffenden Internet-Werbetreibenden seine Bemühungen eingestellt, mich zur Belegung exotischer Sprachkurse zu bewegen. Es liegt möglicherweise an meiner gestrigen Fake-Weinbestellung. Fake ist ja seit geraumer Zeit echt hip. Wer was auf sich hält, der muss geradezu faken. Also auch mit „alternativen Identitäten“ Wein bestellen.
Dass ich mich bei der gestrigen Weinbestellung als 117-jähriger Prof. Dr. Donald Duck ausgegeben habe, ist möglicher Weise der Grund dafür, daß der Computer mir keine Sprachkurse mehr anbietet. Erstens wird ein 117-jähriger eher kein großes Weiterbildungsbedürfnis mehr verspüren. Zweitens ist ein Professor ja von Natur aus schlau und würde es als Zumutung empfinden, daß ihn ausgerechnet ein Computer noch schlauer machen will.
Meine Vermutung, daß da im Hintergrund viel mehr Datenverknüpfungen ablaufen als wir ahnen, fand sich heute früh denn auch bestätigt: Nach längerer Pause wieder mal Werbung für ein Inkontinenz-Produkt. Tena Men – volle Kontrolle. Ist ja bei näherer Betrachtung auch klar: Bei einem 117-jährigen, gleich welchen akademischen Grades, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, daß er öfter mal einstrullt.
Als ob das nicht genug wäre, verzweifle ich bei Lektüre der Morgenzeitung an dieser Welt gleich noch mehr. Der sogenannte „Dieselkompromiß“. Ich traue meinen Augen kaum, wie sich die Bundesregierung im allgemeinen und der Verkehrsminister im besonderen da von der Autoindustrie wie Tanzbären am Nasenring herumführen lässt. Es soll nun für betroffene Autobesitzer Zuschüsse zu den Nachrüstungskosten geben. Aber nur für Diesel-Besitzer in den 15 am stärksten betroffenen Städten.
Ich besitze zwar auch einen Diesel (Euro-4-Norm, Erstzulassung 2011), aber als Bewohner des ländlichen Raums auf einem norddeutschen Rübenfeld zähle ich nicht zu den Begünstigten dieses faulen Kompromisses. Dass ich und alle anderen in meiner Situation aber trotzdem ab und zu mal in Städte wie Mainz, Köln, Bonn, Hamburg, Stuttgart, Berlin etc. etc. fahren müssten, das scheint noch keinem aufgefallen zu sein.
Der geneigte Leser weiß ja inzwischen, daß ich mich eher als digitalen Einsiedler betrachte. Es ist tatsächlich so: Ich besitze noch nicht mal ein Handy oder gar ein Smartphone. Ich habe schon vor geraumer Zeit einfach mal ganz bewußt entschieden, mich in meiner analogen Welt festzukrallen und dort irgendwann zu sterben. Aber nach dem gestrigen Dieselkompromiß werden auch größere Teile der analogen Welt für mich schon bald nicht mehr erreichbar sein. Ich werde dann nicht nur als Einsiedler sterben, sondern als Gefangener der sauberen Luft auf dem Rübenfeld.
Und warum das alles? Das Problem ist ja nicht analog, sondern digital. Alles nur wegen der blöden Schummel-Software, die der Hütchenspieler-Konzern wahrscheinlich auch in meinem Audi verbaut hat. Sag ich ja schon lange: Mit der Digitalisierung wurde der Untergang des Abendlandes eingeleitet. Jedenfalls der Untergang von dem, was einfach gestrickte ältere Menschen mit Sinn für Anstand und Ehrlichkeit (also keine VW-Vorstände, sondern Menschen wie Sie und ich) bisher unter „Abendland“ verstanden haben.
Ein von mir überaus geschätzter regelmäßiger Leser dieses Blogs gab mir gestern, als Antwort auf mein Schwadronieren über Fluch und Segen von Internet und Digitalisierung, einen Lesetip: „Quality Land“ von Marc Uwe Kling. Die beste Ehefrau von allen, die mir das für unsere im Januar 2019 beginnende nächste Kreuzfahrt jetzt gleich mal zu Weihnachten schenken könnte, hat sich da sofort die Kritiken im Internet angeschaut und war hellauf begeistert.
Ich freue mich also schon auf dieses Buch, das mich wohl in mancher Skepsis bestätigen wird. Zugleich fürchte ich aber auch, daß mir nach der Lektüre endgültig klar sein wird: Du wirst keines natürlichen Todes sterben. Du wirst verhungern, weil Du Dich bis zum Schluß standhaft geweigert hast, Dir einen Geldbörsen-Chip in den Handrücken einpflanzen zu lassen. Und irgendwann konntest Du dann nirgends mehr etwas einkaufen. Nachdem das Bargeld endgültig abgeschafft war, welches nach künftiger offizieller Lesart der Inbegriff von und das Synonym für Mädchenhandel, Geldwäsche und Terrorfinanzierung sein wird.
Als Ausweichstrategie werde ich mich (jetzt, nachdem das Weinregal schon prall gefüllt ist) dem Aufbau eines bedeutenden Lagerbestandes an Dauerkonserven widmen. Damit die beste Ehefrau von allen und ich auch in den kommenden Zeiten der Voll-Digitalisierung noch ein paar Jahre lang etwas zu essen haben. In den kommenden Zeiten, wo Algorithmen in einem seelenlosen Blechhirn über unser Wohl und Wehe entscheiden werden. Wo die Software eines selbstfahrenden Autos, so wie in den USA bei Uber-Fahrversuchen schon geschehen, jederzeit die Entscheidung treffen kann, mich zu überfahren. Meinen Sie, den Computer stört es, wenn man ihm dafür eine Gefängnisstrafe androht? Wir steuern auf eine Welt zu, in der das vormalige Individuum in einem virtuellen Ameisenstaat nur noch ein unbedeutender und jederzeit austauschbarer Netzknoten in einem neuronalen Netz sein wird.
In dem Sinne: Schönes Wochenende. Genießen Sie trotzdem das Leben, und bleiben Sie uns gewogen.
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