Wer liest denn bloß diesen Blödsinn?

Eitelkeit ist vielleicht keine der ganz besonders hervorstechenden Eigenschaften des Verfassers dieser Zeilen. Wie auch? Mit knapp 65 muß man sich langsam mit der Tatsache abfinden, daß schöne Frauen und intellektuell besondere Zeitgenossen andere Männer einfach interessanter finden. Wahrscheinlich sogar zu Recht – denn angesichts seiner gewöhnlichen Abendgestaltung könnte man den Verfasser dieser Zeilen unumwunden als „Couch Potato“ bezeichnen.

Aber ein bißchen neugierig auf die eigene Wirkung auf Andere ist man ja doch immer noch. In meinem Fall äußert sich das darin, daß ich mir jeden Monat die Leserstatistik dieser Seite ansehe. Was für den technisch durchschnittlich begabten Zeitgenossen ein Kinderspiel wäre, für mich dagegen schon eine Herausforderung. Doch auch heute habe ich bravourös diese Herausforderung gemeistert zu folgender Herausfindung:

Erstmals in der Geschichte dieser Seite ist die durchschnittliche Zahl der täglichen Besucher im Dezember 2019 auf über 1.000 angestiegen – im Jahresverlauf ist das ein Zuwachs um runde 35 %. Ich weiß jetzt nicht, verehrte Leser, was Sie an mir finden. Und sollten Sie mich mal kennenlernen, werden Sie das anschließend auch selbst nicht mehr wissen. Aber ich begreife, daß ich mir auch nächstes Jahr Mühe geben sollte, Sie gut zu unterhalten.

Guten Rutsch, und danke für Ihre Lesertreue.

Die hohe Kunst der Vermögensvernichtung

Jahrzehntelang ließ die einschlägige Werbung der Finanzbranche den gemeinen Bundesbürger glauben, sein Geld arbeite für ihn. Natürlich hat der gemeine Bundesbürger seinem Geld nie beim Arbeiten zusehen können – das geschieht im nach allen Regeln der Kunst abgedunkelten Verborgenen. Wir werden darauf am Ende dieses Beitrages noch einmal zurückkommen.

Im Dezember 2019 bricht sich nun aber die erschreckende Erkenntnis Bahn, daß sein Geld und die zu dessen getreuer Verwaltung engagierten Finanzexperten unter „Arbeit“ etwas völlig anderes verstehen als der gemeine Bundesbürger selbst. Natürlich arbeitet das Geld, aber, wie wir dieser Tage am Beispiel des CS Euroreal lernen durften, gerne auch mal gegen den Besitzer.

Im heute veröffentlichten Abwicklungsbericht des CS Euroreal per 30.09.2019 tauchen noch drei Objekte als „nicht verkauft“ auf: Ein Einkaufszentrum im tschechischen Olmütz (dessen katastrophaler Untergang eine Geschichte mit Ansage war) sowie zwei Einkaufszentren in Italien, die bis vor kurzem von der Verwahrstelle Commerzbank, dem Fonds CS Euroreal und den „unabhängigen“ Sachverständigenausschüssen stets über den grünen Klee gelobt und nach Fast-Vollvermietung sogar noch regelmäßig aufgewertet worden waren.

Auch die beiden Italien-Objekte wurden im Dezember verkauft, und zwar zu (angesichts der angeblichen Super-Vermietungsquoten und grandiosen Jahresmieten) überhaupt nicht nachzuvollziehenden grottenschlechten Preisen. Wir hatten das und die daraus folgenden empfindlichen Einschnitte beim Anteilwert an dieser Stelle schon ausführlich kommentiert.

Bleibt heute also nur noch ein pikantes Detail nachzutragen:

Alle drei Einkaufszentren hielt der CS Euroreal nicht direkt, sondern über Immobiliengesellschaften. Und diesen Immobiliengesellschaften hatte der CS Euroreal Gesellschafterdarlehn gewährt. In Zahlen sieht das so aus:

Olmütz/Tschechien: gutachterlicher Verkehrswert zuletzt noch 19,0 Mio. EUR (Anfang 2018 hielten die Sachverständigen noch 74,2 Mio. EUR für angemessen), verkauft im Oktober 2019 für ca. 12 Mio. EUR.

Galleria Porto degli Ulivi, Reggio Calabria: gutachterlicher Verkehrswert zuletzt 26,7 Mio. EUR (bis zuletzt regelmäßig aufgewertet, Anfang 2018 hielten die Sachverständigen erst 23,4 Mio. EUR für angemessen), verkauft im Dezember 2019 für den Spottpreis von 7-8 Mio. EUR – dummer Weise hatte der CS Euroreal der Besitzgesellschaft 11,7 Mio. EUR Gesellschafterdarlehn gewährt, von denen man jetzt eine ganze Menge á fonds perdu schreiben durfte.

EKZ Le Cupole, San Giuliano Milanese: gutachtlicher Verkehrswert zuletzt 52,4 Mio. EUR (in den letzten Jahren stets nur marginal um 1-2 Mio. EUR abgewertet worden), verkauft im Dezember 2019 für schätzungsweise 20 Mio. EUR – auch dies weniger als die 26,2 Mio. EUR, die der CS Euroreal der Besitzgesellschaft als Gesellschafterdarlehn herausgelegt hatte.

Nach den Erfahrungen der Vergangenheit, die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zuletzt, ist natürlich nicht vollkommen auszuschließen, daß sich angesichts der besonderen Komplexität der Materie der von der Commerzbank beschäftigte Lehrling mal wieder total verrechnet hat. Wenn dies nicht zutrifft, müsste man allerdings sagen: Jahrelang die Verkehrswerte künstlich hoch halten (und natürlich auf die überhöhten Werte seine Verwaltungsgebühren zu kassieren) und dann die beiden Einkaufszentren ohne jede Vorwarnung für gerade einmal ein Drittel der angeblichen Werte zu verschleudern – so viel Kaltschnäuzigkeit kann sich wohl nur eine teilweise im Staatsbesitz stehende Bank leisten. Es spricht Bände über die Sorgfalt, mit der dort mit dem Geld anderer Leute umgegangen wird.

Zu letzterem Punkt hätten wir auch noch, colorandum causa sozusagen, ein kleines Detail beizutragen. Der Verfasser dieser Zeilen ist, was neue Technologien angeht, bekennender Idiot und Fortschrittsverweigerer. Glücklicher Weise trifft das auf die meisten unserer geneigten Leser aber so nicht zu. Soeben wies uns unser Leser Sascha P. nach Studium des heute von der Commerzbank veröffentlichten Abwicklungsberichtes des CS Euroreal auf die für ihn erkennbare Tatsache hin, daß das auf der homepage der Commerzbank veröffentlichte PDF laut für ihn entschlüsselbarer Objekteigenschaften seit Mittwoch, dem 09.12.2019 um 09:53 Uhr nicht mehr geändert wurde. „Die letzten 21 Tage nur gut abgehangen“, war sein süffisanter Kommentar. So viel zu der Selbstverpflichtung der Abwicklungsbank, die Anleger stets umfassend und zeitnah zu informieren …

Er ist kürzer als Sie denken

Kennt Mann sonst eher als plakative Aufforderung im Männerpissoir, näher an das Urinal heranzutreten. Doch auch darüber wird die Zeit hinweggehen: Wenn Deutschland mit seiner teilweise wirklich lächerlichen Gleichberechtigungs- und Regulierungsbesessenheit so weitermacht, wird es in spätestens ein paar Jahren auch für Männer ohnehin gesetzlich verpflichtend werden, nur noch im Sitzen zu pinkeln. Nach der zum 1.1.2020 kommenden Bonpflicht wird sich unser toller Gesetzgeber gewiß auch da etwas Nettes ausdenken, um die Sitzpinkelpflicht zu überwachen. Der Verfasser dieser Zeilen überlegt bereits, als das heißeste „start up“ des neuen Jahres eine Firma zu gründen, die Gewichtssensoren für Klobrillen entwickelt. Das wird ein riesiger Markt werden.

Pardon. Schon wieder faselt der Verfasser dieser Zeilen skurriles Zeug, obgleich er der verehrten Leserschaft eigentlich doch nur hatte mitteilen wollen: Er ist kürzer als sie denken. Der Abwicklungszeitraum des DEGI Europa nämlich.

Noch vor einem Jahr hatte uns die Commerzbank als Verwahrstelle des DEGI Europa im Abwicklungsbericht per 30.09.2018 wissen lassen:

„… ist eine finale Auflösung des DEGI EUROPA nicht vor dem Jahr 2026 zu erwarten. Nach aktuellem Sach- und Kenntnisstand wird angestrebt, dass rund 15 – 25 % des nach der Auszahlung im Januar 2019 verbleibenden Fondsvermögens für das Kalenderjahr 2019 ausgezahlt werden. Weitere 50 – 70 % sollten nach aktuellem Sach- und Kenntnisstand für die Kalenderjahre 2020 – 2022 ausgezahlt werden können.“

Tatsächlich ausgezahlt wurden für das Kalenderjahr 2019 dann nicht die avisierten 15 – 25 % des verbliebenen Fondsvermögens von 1,18 EUR/Anteil, sondern 46,6 % (0,39 EUR/Anteil im Juli 2019 und 0,16 EUR/Anteil im Januar 2020).

Dem gerade heute veröffentlichten Abwicklungsbericht per 30.09.2019 ist nun zu entnehmen, daß auch die finale Auflösung deutlich schneller erfolgen könnte. Denn dort heißt es jetzt (Abweichungen zu den Aussagen des vorjährigen Berichtes in fett gedruckt):

„… ist eine finale Auflösung des DEGI EUROPA nicht vor dem Jahr 2024 zu erwarten. Nach aktuellem Sach- und Kenntnisstand wird angestrebt, dass rund 20 – 30 % des nach der Auszahlung im Januar 2020 verbleibenden Fondsvermögens für das Kalenderjahr 2020 ausgezahlt werden. Weitere 60 – 75 % sollten nach aktuellem Sach- und Kenntnisstand für die Kalenderjahre 2021 – 2023 ausgezahlt werden können.“

Die Erwartung der finalen Auflösung nun bereits ab 2024 anstatt ab 2026 ist aber ohnehin nur ein marginaler und eher unbedeutender Unterschied. Interessanter ist die Aussage, daß in einem eher überschaubaren Zeitraum von ca. vier Jahren, mit deutlichem Schwerpunkt zu Beginn, bereits rund 90 % des Restvermögens zu verteilen sind. Anschließend reden wir noch über die gewaltige Summe von 2 Mio. EUR = 0,08 EUR je Anteil  – nur daß wir es der verehrten Leserschaft zum Vergleich noch einmal in Erinnerung rufen dürfen: Am 30.09.2010 sprachen wir noch über ein Fondvermögen von 1,28 Milliarden EUR = 51,43 EUR je Anteil.

Das andere Amerika

Seit geraumer Zeit reduziert sich die Betrachtung des gemeinen Kontinentaleuropäers, wenn die Sprache auf die Vereinigten Staaten von Amerika kommt, auf die Pöbeleien des Präsidenten, das Impeachment-Verfahren und den Handelskrieg mit China.

Auch der Verfasser dieser Zeilen gibt zu: Die Zeiten, wo er in den USA aus der Empfangshalle des Flughafens schritt und erst mal einen ganz großen Atemzug „Freiheit“ nahm und sich riesig freute, diese Zeiten sind schon seit George W. Bush vorbei. Auch die Begeisterung über Barrack Obama hielt sich nach genauerem Hinschauen in Grenzen: Kein vorheriger Präsident der Vereinigten Staaten hat in seiner Amtszeit die USA auf der ganzen Welt in so viele Kriege verwickelt wie Obama.

Wachsende Skepsis gegenüber dem Land und dem System einfach auch auf die dort lebenden Menschen zu übertragen wäre jedoch in höchstem Maße ungerecht. Der eigentliche Beruf des Verfassers dieser Zeilen, die Beschäftigung mit Historischen Wertpapieren als Sammlerstücke und damit auch die Beschäftigung mit der Finanzgeschichte, dieser Beruf ließ über Jahrzehnte auch enge Kontakte in die USA wachsen, aus denen einige Freundschaften entstanden sind, die diese Bezeichnung wirklich verdienen.

So besuchte der Verfasser dieser Zeilen im Spätherbst 2019 einen Geschäftspartner und Freund, dessen Denkweise so ganz und gar nicht dem entspricht, was der gemeine Kontinentaleuropäer dem gemeinen US-Amerikaner so zutrauen würde. Wobei, „den Amerikaner“ (der beim Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko begeistert eigenhändig den Mörtel anrühren würde) gibt es ebenso wenig wie „den Russen“ (der seit Dschingis Khans Zeiten nach nichts anderem trachtet als gen Westen zu reiten und Frauen und Kinder zu schänden) oder „den Chinesen“ (der Potenzmittel-süchtig ist und allen Nashörnern dieser Erde die Hörner absäbelt und bei der Durchreise auch noch überall Patente klaut) oder „den Deutschen“ (der noch nie etwas anderes war als ein über die Grenzen Europas hinaus leuchtendes Beispiel für lupenreines Demokratieverständnis, Toleranz, Solidarität und Nächstenliebe).

Um der sehr verehrten Leserschaft zu zeigen, daß es auch „Das andere Amerika“ gibt, und um Sie ein bißchen zum Nachdenken zu bewegen, hier im Anschluß im Original den Weihnachtsbrief von meinem Freund Sam (in der Hoffnung, daß eine hinreichend große Zahl Leser des Englischen mächtig ist; bei den anderen entschuldige ich mich mit dem Versprechen, daß dies eine Ausnahme bleiben wird).

Anschluss verloren

„56 amerikanische Unternehmen dominieren das Handelsblatt-Ranking der wertvollsten Börsenstars. Deutschland ist nur noch mit SAP und Siemens dabei.“ Darüber beklagt sich heute, unter der oben zitierten Überschrift „Anschluss verloren“, Ulf Sommer gleich auf der Titelseite des „Handelsblatt“.

Ulf Sommer ist ein altgedienter Haudegen des klassischen Journalismus, seit nunmehr 23 Jahren in Diensten des Handelsblatts, der es doch eigentlich besser wissen sollte. Zumal er seine Doktorarbeit über DDR-Parteiengeschichte geschrieben hat, weshalb der Verfasser dieser Zeilen sowieso schon mal eine etwas kritischere Grundhaltung zu jedwedem System erwarten würde.

Das Lamento auf der heutigen Handelsblatt-Titelseite hat einen entscheidenden Nachteil: Der „Wert“ eines Unternehmens bemißt sich nach dieser (unterhaltsamen, aber unhaltbaren) Theorie aus der Multiplikation des Börsenkurses mit der Anzahl der ausgegebenen Aktien.

Das Problem dabei ist nur, daß Börsenkurse nichts weiter als in keiner Form rational begründbare Ziffern sind, die jeder Schimpanse im Leipziger Zoo auf’s Papier gekritzelt haben könnte.

Untrennbar in die Lebenserfahrung des Verfassers dieser Zeilen eingeschweißt und zwei Jahrzehnte lang sein größtes Börsenengagement war die Blaue Quellen Mineral- und Heilbrunnen AG. Die wurde rauf- und runteranalysiert, die Betriebsstätten wurden angeschaut, regelmäßige Gespräche mit dem Vorstand waren selbstverständlich. Zu der Zeit in den 1980er Jahren, als der Verfasser dieser Zeilen anfing sich für die Blaue Quellen Mineral- und Heilbrunnen AG zu interessieren, eine ausgezeichnet rentierende und beständig wachsende deutsche Tochter des Nestlé-Konzerns, lag deren Börsenwert bei 7 % vom Jahresumsatz. Heutzutage dagegen ist alles mit einer Bewertung von < 100 % vom Jahresumsatz fast schon ein Sanierungsfall, und mehrere hundert Prozent sind auch nichts Ungewöhnliches.

Nur eine so lange Zeitspanne an Börsenerfahrung läßt erkennen, daß die „Richtigkeit“ einer Börsenbewertung eine höchst relative und ständig wechselnden Moden und Zeitgeistströmungen unterliegende Sache ist, die keinerlei Logik folgt, sondern höchstens so nebenbei aus dem permanenten Chaos des Weltgeschehens herausschlüpft.

Insofern sind die „56 amerikanischen Unternehmen“, die den Herrn Sommer den Untergang des kontinentaleuropäischen Abendlandes befürchten lassen, nicht etwa wertvoll, sondern einfach nur unverhältnismäßig teuer. Das ist nichts worüber sich der gemeine Erdenbewohner großartig Gedanken machen müsste. Er hat nämlich im Normalfall andere, sehr viel lebensnähere Sorgen.

Der „Wert“ eines Unternehmens mißt sich, jedenfalls nach der Überzeugung des Verfassers dieser Zeilen, an der Frage, ob es zu fairen Preisen ordentliche und nützliche Produkte herstellt, ob es seinen Kunden mit Respekt begegnet, ob es eine möglichst große Anzahl Mitarbeiter zu anständigen Bedingungen beschäftigt und Menschen nicht als Produktions- oder Kostenfaktoren sieht, ob es seine Steuern ordentlich zahlt und nicht versucht über Steueroasen zu tricksen, ob es der Umwelt und der ganzen Erde mit Achtung begegnet und die Schöpfung bewahrt. In einer anständigen Gesellschaft stünde im Pflichtenheft für ein gut geführtes Unternehmen die Frage der Höhe der Dividende und des Börsenkurses mindestens mal sehr weit hinten.

Der „Wert“ eines Unternehmens definiert sich aus seiner Nützlichkeit für die gesamte Gesellschaft, nicht aus einem zufälligen Börsenkurs. Ob Unternehmen wie Facebook, die auf dieser Erde jede Form von Individualität und Privatsphäre zerstören, wie Boeing, die vorsätzlich absturzgefährdete Flugzeuge produzieren, oder wie Volkswagen, die schamlos Abermillionen von Kunden betrügen und sich dabei auch noch im Recht sehen, ob solche Unternehmen überhaupt einen Wert haben können, das darf getrost bezweifelt werden.

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